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Politik: Menschenrechtlerin hat wenig Hoffnung für Tschetschenien

Nasran/Potsdam - Fast ein wenig traurig nimmt Libkhan Basaeva die Glückwünsche einiger Journalisten entgegen. In Russland könne ihr das nicht passieren, sagt sie, denn dort wisse fast niemand, dass die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“ am Donnerstag in Stockholm mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Von Sandra Dassler

Nasran/Potsdam - Fast ein wenig traurig nimmt Libkhan Basaeva die Glückwünsche einiger Journalisten entgegen. In Russland könne ihr das nicht passieren, sagt sie, denn dort wisse fast niemand, dass die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“ am Donnerstag in Stockholm mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Seit fünf Jahren arbeitet die Tschetschenin für die russischen Menschenrechtler – anlässlich des zehnten Jahrestages des ersten Tschetschenienkriegs ist sie nach Potsdam gekommen, um auf die katastrophale Lage ihrer Landsleute aufmerksam zu machen. Libkhan Basaeva ist Leiterin des Memorial-Büros in Nasran, einer Stadt in Inguschetien, in der noch immer viele Flüchtlinge aus dem benachbarten Tschetschenien leben. Inzwischen seien sie aber auch dort nicht mehr vor Übergriffen der russischen Armee sicher, erzählt die unter anderem von der Gesellschaft für bedrohte Völker ausgezeichnete Menschenrechtlerin: „Unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung finden immer wieder Razzien statt, bei denen auch Kinder und Frauen nicht verschont werden. Es kann jeden treffen.“

Aus diesem Grund nehme die Zahl der Flüchtlinge aus Tschetschenien permanent zu, sagt Basaeva, und bestätigt eine Einschätzung des Flüchtlingsrats Brandenburgs. Seit August dieses Jahres würden an der Oder immer häufiger Tsche- tschenen aufgegriffen und sofort in Abschiebehaft genommen. Die meisten von ihnen müssten nach Polen zurück, wo ihnen jahrelanger Aufenthalt in schlecht ausgestatteten Lagern drohe.

Außerdem seien fast alle Flüchtlinge traumatisiert. „Jeder von ihnen hat in der Heimat Schreckliches erlebt“, sagt Basaeva. Auch für die Tschetschenen, die an der deutschen Grenze aufgegriffen und zurückgeschoben werden, gebe es kaum Möglichkeiten der psychologischen Betreuung. Menschenrechtsorganisationen sehen darin einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, nach der traumatisierte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden dürften.

Basaeva hat wenig Hoffnung auf eine humane Lösung des Flüchtlingsproblems durch die westeuropäischen Staaten. Russlands Strategie, alle Tschetschenen als Terroristen abzustempeln, sei aufgegangen, meint sie: „Nach dem Geiseldrama von Beslan kann Putin alles rechtfertigen. Der Terrorismus, den auch Memorial aufs Schärfste verurteilt, nutzt den Machthabern in Moskau.“ Dass sich an der russischen Tschetschenien-Politik in nächster Zeit etwas ändern könnte, glaubt sie nicht. Nach Moskauer Lesart habe das Land ja eine gewählte Regierung.

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