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Gelungener Auftritt. Angela Merkel nach ihrer Rede mit dem JU-Vorsitzenden Philipp Mißfelder und der CSU-Familienexpertin Dorothee Bär. Foto: Thomas Peter/Reuters

© REUTERS

Integration: Merkel: Der Islam ist Teil Deutschlands

Bei der Jungen Union wirbt die Kanzlerin für ein Miteinander mit Muslimen. Angela Merkel hat sich entschieden, dem populistischen Druck standzuhalten – auch wenn das nicht allen gefällt.

Von Robert Birnbaum

Links vorne klatscht einer und irgendwo in der Mitte einer und noch ein, zwei andere. Der Minimalapplaus unterstreicht nur das Schweigen der vielen anderen. Aber Angela Merkel lässt sich nicht beirren. Sie weiß, was der Deutschlandtag der Jungen Union von ihr gerne hören würde in Sachen Integration. Die CDU-Chefin tut der Parteijugend genau diesen Gefallen nicht. Bundespräsident Christian Wulff habe das Richtige gesagt: „Das Christentum gehört zu uns, das Judentum gehört zu uns. Aber er hat auch gesagt: Der Islam ist auch Teil Deutschlands.“ Merkel sieht in die skeptischen Gesichter in der Babelsberger Metropolis-Halle, holt kurz Luft: „Er ist Teil Deutschlands!“

Wer sich bisher gefragt hat, wie die CDU-Vorsitzende eigentlich den Spagat zwischen der verbreiteten Fremdenangst in ihrer Partei und der Staatsräson einer Kanzlerin hinkriegen will, der hat jetzt die Antwort: Gar nicht. Merkel hat sich entschieden, dem populistischen Druck standzuhalten. Am Ende wird die Junge Union sie mit langem Beifall verabschieden. Darin steckt viel pflichtgemäße Loyalität gegenüber der eigenen Kanzlerin. Aber es ist auch Achtung zu spüren für diesen Auftritt.

Wie die C-Jugend tickt, hatte ihr alter und neu bestätigter Chef Philipp Mißfelder schon vor der Delegiertenversammlung zu verstehen gegeben: CSU-Chef Horst Seehofer habe mit seinen Aussagen zur Integration gesagt, was viele in der Partei dächten. Merkel erwähnt Seehofer nicht, oder richtiger: Sie streift ihn nur in einem Nebensatz. Es gebe ja jetzt ziemlich viele, die die Probleme der Eingliederung ansprächen, merkt die Kanzlerin spitz an. „Wir haben aber die Aufgabe, sie zu lösen.“

Später in der Fragerunde beklagt ein Hamburger Jungunionist, dass die CDU in der Debatte nicht „auf der richtigen Seite“ stehe, nicht mit Thilo Sarrazin gegen den Islam zu Felde ziehe. Merkel bittet sich Präzision aus. Ja, es gebe Islamismus und ja, hierzulande gelte das Grundgesetz und nicht die Scharia und nein, wir brauchten keine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Nur: „Darum geht es gar nicht.“ Vier Millionen Muslime leben in diesem Land, „diese Leute werden bleiben“, betont Merkel. Wer so tue, als habe sich Deutschland nicht verändert seit 1949, der lüge sich in die Tasche. „Realitätsverweigerung war noch nie ’ne gute Sache.“ Merkel schaut mit konzentrierter Kampflust in den Saal. Der ist in seiner Mehrheit nicht überzeugt. Ein bisschen beeindruckt ist er aber doch, so wie Jungstiere, wenn man sie gleich bei den Hörnern nimmt.

Als Merkel nach knapp zwei Stunden zum nächsten Termin weiterfährt, wirkt sie zufrieden; mit Recht. Ein Halbsatz zu Stuttgart 21 – dass es gute Gründe gebe, sich dafür einzusetzen – hat ihr Jubel eingetragen, ihr sehr energischer Aufruf, um die Mehrheiten in Wahlen zu kämpfen, ist auf offene Ohren gestoßen. Und Karl-Theodor zu Guttenberg hat sie loben können, ohne dass die Delegierten demonstrativ in Beifallsstürme ausgebrochen sind wie am Abend vorher bei Horst Seehofer. Die Zeit des Bayern, signalisiert diese Art von Applausometer, ist für die Jungen abgelaufen – obwohl sein Spruch über „fremde Kulturkreise“ im Saal viele Sympathisanten hat. Oder vielleicht: Weil viele diesen Spruch gut fanden. Seehofer hat ihn nämlich nicht wiederholt, sondern bloß von Leitkultur geredet und im nächsten Satz dann schon wieder davon, wie wichtig das Miteinander sei. Vorleute, die zu ihrer eigenen Haltung plötzlich nicht mehr stehen mögen, haben die Jungen noch nie gemocht.

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