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Jens Stoltenberg ist seit dem 1. Oktober 2014 Nato-Generalsekretär.

© Kseniya Apresyan für den Tagesspiegel

Merkel gefolgt, Trump gezähmt: Jens Stoltenberg bleibt Nato-Chef

Für mindestens ein weiteres Jahr steht Jens Stoltenberg als Generalsekretär an der Spitze des Verteidigungsbündnisses. Das Fischen und Skifahren in der norwegischen Heimat muss warten.

Noch hat er den Rekord des Niederländers Joseph Luns lange nicht geknackt, der von Oktober 1971 bis Juni 1984 und damit fast 13 Jahre lang Nato-Generalsekretär war. Der Norweger Jens Stoltenberg, dessen Amtszeit am Dienstag um zwölf Monate verlängert wurde, rückt jedoch allmählich in diese Regionen vor. Zehn Jahre an der Spitze des westlichen Verteidigungsbündnisses hat er im Herbst 2024 dann auf dem Buckel. Und wer sagt denn, dass der Ukrainekrieg dann beendet ist und die Allianz in der damit verbundenen Sicherheitskrise Europas nicht erneut auf Erfahrung setzt?

Dem 64-Jährigen scheinen solche Überlegungen nichts mehr auszumachen. Vor dem Ende seiner Amtszeit im vergangenen Jahr hatte sich der an der Universität Oslo ausgebildete Ökonom noch um einen neuen Posten bemüht und war auch kurz vor Russlands Überfall auf die Ukraine zum künftigen Zentralbankchef seines Landes ernannt worden, was er dann nie wurde. In der neuerlichen Nachfolgedebatte hielt er sich zuletzt alle Optionen offen.

„Ich habe keine anderen Pläne“, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel, was fast schon nach einer Bewerbung klang, nur um dann pflichtschuldig hinterherzuschieben, „als meine Amtszeit in diesem Herbst zu beenden.“

Seine Frau ist schon vorausgegangen

Nun wird er weiterhin nur die Wochenenden und die Ferien mit seiner Frau Ingrid Schulerud verbringen können, einer Diplomatin, die schon vor einigen Jahren in die norwegische Heimat zurückgekehrt ist. Er soll sich auf mehr Zeit gefreut haben. Gefreut haben ihn aber offenbar auch die Schmeicheleien der Alliierten, die keinen passenden Ersatz fanden.

Der Sozialdemokrat, der zweimal Premier seines Landes war und Norwegen insgesamt rund zehn Jahre lang regierte, wurde von Angela Merkel ins Brüsseler Nato-Hauptquartier gelotst. Als Ersatz für den ebenfalls von ihr vorgeschlagenen Dänen Anders Fogh Rasmussen gesucht wurde, „trat die Bundeskanzlerin wieder auf den Plan“, wie ihr damaliger Sicherheitsberater Christoph Heusgen in einem Buch schreibt; „Sie hatte ein besonderes Verhältnis zum norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg aufgebaut, den sie als klugen Politiker betrachtete.“

Die Kanzlerin musste nur noch die Amerikaner von dem Mann überzeugen, dessen Partei gerade die Wahlen verloren und der nach eigenem Bekunden in den Siebziger bei Protesten gegen den Vietnamkrieg Steine auf die US-Botschaft in Oslo geworfen hatte.

Ganz in Sinne der Amerikaner agierte der Sohn eines früheren norwegischen Verteidigungsministers im neuen Amt dann beim Thema Geld. Immer wieder rügte er auch Deutschland, dass es zu wenig für seine Sicherheit ausgebe und sich nicht in Richtung der avisierten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung bewege.

Die Nato ist nicht länger „obsolet“

Als dann auch aus Berlin zumindest größere Etatsteigerungen vermeldet wurden, konnte Stoltenberg damit auch Donald Trump zähmen. Auf einer USA-Reise 2019 erklärte er diplomatisch durchaus geschickt, dies sei dem US-Präsidenten zu verdanken, der die Nato daraufhin nicht mehr als „obsolet“ bezeichnete, sondern plötzlich Lobeshymnen auf ihren Chef hielt: „Er leistet einen großartigen Job, ich bin ein großer Fan von ihm.“

Das sind in der Allianz viele - nicht nur der klaren Worte gegenüber Russland wegen, die er schon weit vor dem 24. Februar vergangenen Jahres fand. Als Verdienste werden ihm auch der Umbau der Nato-Strukturen sowie eine bessere Kooperation mit der Europäischen Union angerechnet. Ebenso die Verständigung mit der Türkei aus dem vergangenen Jahr, die beim Gipfel in Madrid zur Einladung an Finnland und Schweden führte, wenn auch dieser Nato-Beitritt noch nicht vollzogen ist. Nun hat Stoltenberg die Chance, seine Liste noch zu verlängern.

Im Rat der Nato-Botschafter erhielt der Mann, der in seiner Brüsseler Freizeit gerne läuft und radelt und zuhause in Norwegen zum Fischen und Skifahren geht, am Dienstag viel Applaus für seine Mandatsverlängerung. Als Asket, der er ist, hat er danach möglicherweise beherzt zum Obstkorb gegriffen. Für seinen engsten Mitarbeiterkreis hält er dagegen stets einige Tafeln Schokolade im Schrank parat.

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