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Bundeskanzlerin Angela Merkel (l, CDU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterhalten sich am 17.07.2015 während der Sondersitzung des Deutschen Bundestags zu Griechenland-Hilfspaketen in Berlin.

© dpa

Griechenland-Krise: Merkel muss endlich ihre Sicht auf Europa darstellen

Es heißt Abschied zu nehmen von der Illusion, dass Griechenland alles auf einmal schafft, sich zu reformieren, die Schulden zu reduzieren und neue Wirtschaftskraft zu generieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Immer wieder mittwochs kommt die Erinnerung – dass da doch noch etwas ist, was sich Griechenland-Krise nennt. Zehn Millionen halten 500 Millionen in Atem. Gut, die 500 Millionen sind ganz Europa, nicht nur die Euro-Zone. Aber es ist schon erstaunlich, wie lange sich Europa an dem Problem festhält. Manchmal versteht man die Amerikaner, die denken, die Europäer hätten es nicht drauf. Wie oft schon aus Washington die Mahnung kam, doch endlich die Lösung, die endgültige, zu finden.

Laut einer Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH)hat Deutschland in den letzten 4 1/2 Jahren mehr als 100 Milliarden Euro an der Griechenlandkrise verdient!!!Man kann auch überzogen sagen, Griechenland ist der Goldesel Deutschlands! Je mehr Hilfskredite gegeben werden, umso höher ist unsere Rendite!

schreibt NutzerIn haase

Dazu passt auch, dass eine große Institution, die in Washington sitzt, der Internationale Währungsfonds, in Europa als eine Art Spielverderber angesehen wird. Man könnte aber auch sagen: Der IWF ist eine Stimme der Vernunft. Es ist nicht alles zu verstehen, was da in Brüssel wie verhandelt wird, aber eines ist klar: Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands ist nicht so hoch, wie sie sein müsste. 200 Prozent der Wirtschaftsleistung – mit Sonne, Sand und Oliven lässt sich da kurzfristig kein Erfolg erzielen. Das geht nur, nach Adam Riese, wenn die Schulden Griechenlands, 300 Milliarden Euro etwa, deutlich verringert werden. Oder, wie es vom IWF immer wieder heißt: wenn es Schuldenerleichterungen gibt. Ein schönes Wort ist das, ein zutreffendes dazu, besser als Schuldenschnitt. Das klingt nach Amputation. Die Geberländer hätten vielleicht gern, dass das so wahrgenommen wird, weil sich ein Nein dann besser begründen ließe. Doch gerade Deutschland sollte vorsichtig sein: Es ist mehrmals um Schulden „erleichtert“ worden. 1953 zum Beispiel, und ohne das wäre es nie und nimmer zu unserem Wirtschaftswunder gekommen. Wir hatten Konrad Adenauer, das stimmt. Aber die Griechen haben Alexis Tsipras, und der macht es ein bisschen so wie Gerhard Schröder, was heißt, er verfolgt eine Agenda. Er will reformieren!

Die Kanzlerin sollte ihre Sicht auf Europa grundlegend darstellen

Sogar Wolfgang Schäuble, der badische Hausmann der deutschen Finanzen, erkennt das inzwischen an. Womit wir bei der Union angelangt wären, nicht der europäischen, sondern der aus CDU und CSU. In der einen wie der anderen sitzt inzwischen ganz schön viel Sprengstoff. Wenn die EU nicht einmal das Thema Griechenland in den Griff bekommt, wie soll es dann mit ihr werden, wo mit ihr enden? Und wenn die Union sich nicht in den Griff bekommt, wenn in CDU und CSU immer mehr Abgeordnete vom Kurs abweichen, den ja eigentlich die Kanzlerin vorgibt – dann endet das … Ja, wie?

Mehr als 60, 65 Parlamentarier aus ihren Reihen sollten nicht mit Nein stimmen, wenn das dritte Griechenland-Paket zur Verabschiedung ansteht. So heißt das wirklich, und Verabschiedung ist auch ein gutes Wort: Es heißt Abschied zu nehmen von der Illusion, dass Griechenland alles auf einmal schafft, sich zu reformieren, die Schulden zu reduzieren und neue Wirtschaftskraft zu generieren. Angela Merkel hat aber bisher wenig bis nichts getan, sich und ihren Kurs zu erklären, ihre Ziele, mittelfristig, langfristig. Immer nur auf Sicht zu entscheiden, das zeigt sich gerade, kann in die Irre führen. Kein Kapitän lässt das Schiff immer nur vom Ersten Offizier führen.

Sich auf Schäuble zu verlassen, verlassen zu können, dass er im Zweifel auch gegen seine eigene Überzeugung entscheidet und Entscheidungen mitträgt, ist das eine. Sich in der Fraktion auf Volker Kauder als „Whip“, als Einpeitscher, zu verlassen, ist das andere. Nur ist die Union keine Galeere, die Abgeordneten sind nicht angekettet, sie könnten es irgendwann merken, der Zeitpunkt ist nicht mehr so weit. Kauder schlägt die Trommel, die ersten halten sich die Ohren zu. Kein gutes Zeichen.

Aber jetzt kommt ja wieder ein Mittwoch, der daran erinnert, was neben Geld noch fehlt: gute Worte. Die Kanzlerin sollte doch mal ihre Sicht auf Europa grundlegend darstellen, grundlegend in jeder Hinsicht. Wenn sie das nicht bald tut, kann es selbst für sie gefährlich werden. Denn kein Regierungschef Deutschlands wird direkt gewählt, jeder braucht eine eigene Mehrheit im Parlament.

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