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Die Kanzlerin besichtigte einen Windpark in Mecklenburg-Vorpommern.

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Merkels Energie-Reise: Der Wind und die Atomsteuer

Die Kanzlerin macht sich ein eigenes Bild von der Energieversorgung in Deutschland. Mit ihrer Reise erklärt sie das Thema zur Chefsache. Zum Auftakt schaute sie sich einen Windpark in Mecklenburg-Vorpommern an.

Kurz bevor der Hubschrauber der Kanzlerin landet, kommt der ersehnte Wind doch noch auf. Die Windräder drehen sich, als Angela Merkel (CDU) am Mittwoch ihre sogenannte Energie-Reise im Windpark Ravensberg-Krempin in Mecklenburg-Vorpommern startet. Alles andere wäre wohl Wasser auf die Mühlen der Atomwirtschaft gewesen.

Zwar sind die erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch. Derzeit machen sie jedoch erst 16 Prozent der Bruttostromerzeugung in Deutschland aus. Der Anteil der Windenergie beläuft sich dabei auf 6,3 Prozent. Und einer der Kritikpunkte der Kernkraftbefürworter lautet, dass Wind und Sonne eben keine verlässlichen Stromlieferanten seien, wenn es regne oder kein Lüftchen wehe.

Während Merkel sich an diesem ersten Tag ihrer Tour zu zehn Energie-Standorten neben dem Windpark noch beim Windmühlenhersteller Nordex in Rostock über Situation, Forderungen und Ansichten der Windwirtschaft informiert, tobt auf einer ganz anderen Baustelle der Streit um das geplante schwarz-gelbe Energiekonzept. Die Atomwirtschaft will verhindern, dass sie - quasi im Gegenzug für ihre voraussichtlichen Milliardeneinnahmen durch längere Laufzeiten für die Kraftwerke - die von der Regierung geplante Brennelementesteuer zahlen muss.

Merkel: Alternativen zur Brennelementesteuer im Gespräch

Bundesumweltminister Norbert Röttgen überraschte dann bei der Ankündigung seiner Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz in Nordrhein- Westfalen mit der Information, dass die Regierung sich erst am 28. September abschließend mit der Brennelementesteuer befassen werde.

Dieses fiskalische Element des Finanzministeriums solle vernünftigerweise zusammen mit dem Energiekonzept erörtert und entschieden werden. Das Finanzministerium betonte dagegen, die Abgabe sei Teil des Haushaltbegleitgesetzes und darüber werde wie geplant am 1. September im Kabinett beraten.

Merkel mied bei ihrer Ankunft in Rostock zunächst die wartenden Journalisten. Und diese durften sie bei ihrem Rundgang durch die Firma Nordex auch nicht begleiten. Bevor sie wieder mit dem Hubschrauber davonflog stellte sie noch klar, dass die Atomwirtschaft wird zahlen müssen. Nur - eine Brennelementesteuer muss es vielleicht nicht sein. „Es gibt im Augenblick auch Gespräche über Alternativen. (...) Wichtig wird sein, dass am 1. September deutlich ist, es wird dieses Volumen erbracht, das wir uns vorgenommen haben.“ Wenn eine andere Form als die von der Regierung im Juni festgelegte Brennelementesteuer gefunden wird, „ist es auch gut“.

Keine Tagesreise ohne Misstöne aus Berlin

Bei Bürgern und auch Abgeordneten der Koalitionsfraktionen drängt sich zunehmend der Eindruck auf, die Atomlobby werde bevorzugt behandelt. Niemand sonst könne mit der Regierung verhandeln, ob er eine Steuer nun zahle oder nicht, heißt es. Der Atomwirtschaft dürfte eine wie auch immer genannte Abgabe lieber sein als eine per Gesetz festgelegte Brennelementesteuer. Eine Steuer wäre wesentlich schwerer wieder zu kippen.

In Ravensberg hatte Merkel zuvor die Notwendigkeit der Atomenergie als Brücke in ein neues Zeitalter der erneuerbaren Energien betont. Deren Anteil bei der Stromproduktion werde Schritt für Schritt erhöht. „Aber noch brauchen wir natürlich Brücken, sowohl bei der Kernenergie als auch bei Kohle als auch bei Gas.“ Energie müsse für ein Industrieland wie Deutschland wirtschaftlich bleiben.

Merkel wirkt am Mittwoch aus der Ferne genervt. Wieder einmal muss sie sich damit rumschlagen, dass sie nicht einmal eine Tagesreise ohne Misstöne aus Berlin zu Ende bringen kann. Die Tatsache, dass sie sich mit dieser Reise persönlich informiert, dürfte aber ihre Ansage sein, dass das Thema nun Sache der Chefin wird. Bei Nordex kommt das gut an. Die „Einflüsterer“ im Kanzleramt, die gegen Wind- und für eine noch lange zu nutzende Atomenergie sprächen, hätten damit weniger Chancen bei der Regierungschefin, hofft ein Mitarbeiter. (dpa)

Kristina Dunz, Joachim Mangler

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