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Militär wirbt an Schulen: Lehrerproteste gegen britische Armee

Großbritanniens Lehrer laufen gegen das Unterrichtsmaterial der britischen Armee Sturm. Das Verteidigungsministerium versuche, mit Broschüren für das Fach Sozialkunde 16-jährige Schüler für den Kriegsdienst zu begeistern, beschwert sich die mit 270 000 Mitgliedern größte Lehrergewerkschaft des Landes, NUT.

Großbritanniens Lehrer laufen gegen das Unterrichtsmaterial der britischen Armee Sturm. Das Verteidigungsministerium versuche, mit Broschüren für das Fach Sozialkunde 16-jährige Schüler für den Kriegsdienst zu begeistern, beschwert sich die mit 270 000 Mitgliedern größte Lehrergewerkschaft des Landes, NUT. Die Prospekte würden das Soldatenleben verherrlichen und die Schüler „nicht ausgewogen“ über Kampfeinsätze informieren. Insbesondere der Krieg im Irak werde in den Unterrichtsmaterialien vorrangig als humanitäre Hilfe dargestellt. Dabei würden die Invasion des arabischen Landes und die damit verbundenen zivilen Todesopfer kaum erwähnt. Den Schülern werde zudem nicht deutlich gemacht, dass im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden – obwohl dies der offizielle Grund war, das Land 2003 unter Führung der USA zu besetzen. Viele Lehrer weigern sich, die Broschüren zu verwenden.

Das Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe in einer Erklärung zurück. Das Unterrichtsmaterial sei gemeinsam mit Pädagogen entworfen worden. Man begrüße aber ausdrücklich eine weiterführende Diskussion mit der Gewerkschaft. Der kürzlich verstorbene NUT- Vorsitzende Steve Sinnott hatte vor wenigen Wochen erklärt, der Lehrerverband lehne das Militär nicht grundsätzlich ab: Die Armee habe das Recht, sich mit „ausgewogenen Materialien“ an den Schulen vorzustellen. In Großbritannien dürfen sich Verbände und Einrichtungen am Unterricht beteiligen, wenn sie sich in politischen Fragen um Objektivität bemühen. Er habe jedoch eine „faire und ausgewogene Sicht“ auf den Irakkrieg vermisst, hatte Sinnott mitgeteilt. Die Armee glaube augenscheinlich, besonders Schüler aus sozial schwachen Gegenden für eine Laufbahn in der britischen Berufsarmee begeistern zu können. Vor allem an Schulen, deren Schüler weniger gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben, wolle die Armee „das Interesse an einer Militärkarriere stimulieren.“

Nach Informationen der Tageszeitung „Independent“ wird der Angriff auf den Irak in den Arbeitshinweisen des Verteidigungsministeriums fortwährend als „notwendig“ bezeichnet und die Zahl der getöteten britischen Soldaten mit 132 falsch angegeben. Nach Angaben des Blattes und anderer britischer Medien sind seit 2003 insgesamt 175 britische Soldaten im Irak gestorben. Dass in den Unterrichtshilfen der Armee außerdem die amerikanische Schreibweise „program“ statt der britischen „programme“ verwendet worden sei, deutet möglicherweise auf Urheber aus den USA hin.

Mit mehr als 50 Milliarden Euro jährlich gibt das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union am meisten für Rüstung aus. Derzeit sind 67 000 britische Soldaten im Ausland stationiert, darunter 5000 im Irak. Nachdem sich im März Teile der irakischen Sicherheitskräfte geweigert hatten, gegen Milizionäre des Schiiten-Predigers Moktada al Sadr zu kämpfen, hatte die britische Regierung erklärt, sie werde den Abzug ihrer Truppen aus dem Südirak verschieben, weil die irakische Armee noch nicht voll einsatzfähig sei.

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