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Nachschubprobleme. Diese französischen Soldaten montieren Raketen an einem Hubschrauber vor der libyschen Küste. Knappe und fehlende Ausstattung machen es den Militärs schwer, den politischen Ehrgeiz ihrer Regierungen zu erfüllen.

© Ecpad Arnaud Roine/AFP

Militärische Macht: Endstation Libyen

Engpässe des Westens: Der Einsatz gegen Gaddafi zeigt die Grenzen europäischer Militärkapazitäten – und fehlende Nato-Strategien.

Großbritannien kann seinen Libyeneinsatz nicht über den September hinaus aufrechterhalten. Das jedenfalls sagt der Oberkommandierende der britischen Marine, Admiral Sir Mark Stanhope: „Dann ist die Regierung zu herausfordernden Entscheidungen über Prioritäten gezwungen“. Angesichts fehlenden Geräts, Budgetproblemen, knapper Personallage und der anhaltenden Verpflichtungen in Afghanistan mit über 9000 Armeeangehörigen zeigen sich den Briten in Libyen nun die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Schon mussten sie Tomahawk-Missiles aus den USA nachordern, weil die Vorräte aufgebraucht waren.

Und auch andere Alliierte führt der Einsatz, der sich zur Existenzkrise für die europäische Säule der Nato entwickelt, an die Schmerzgrenze. Der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates offenbarte in seiner Abschiedsrede im Nato-Hauptquartier, in welchem Maße der Libyeneinsatz von amerikanischer Unterstützung abhängt: Europäer blieben an der Seitenlinie, „nicht weil sie nicht wollen, sondern, weil sie nicht können“.

Doch auch das US-Repräsentantenhaus hat jetzt erneut seine Unzufriedenheit mit dem von Präsident Barack Obama angeordneten Einsatz ausgedrückt und beschloss mit breiter Mehrheit, keine Gelder dafür zur Verfügung zu stellen. Kriegsoperationen müssen vom Kongress befürwortet werden, wenn sie länger als 60 Tage dauern. Der jetzt verabschiedete Zusatzartikel sperrt bei einem Verstoß alle Mittel für den Libyen-Einsatz, der am 19. März begonnen hatte. In der vergangenen Woche hatte das Repräsentantenhaus Obama aufgefordert, die amerikanische Rolle in dem Konflikt zu erklären und die voraussichtlichen Kosten zu nennen.

Auch in Frankreich hat die Debatte über das Missverhältnis von politischem Ehrgeiz und militärischer Macht begonnen. Doch das Militär hält sich wegen des anlaufenden Präsidentschaftswahlkampfes mit Kritik zurück. Die Nationalversammlung wird den Libyen-Einsatz am 19. Juli debattieren. Ab 20. Juli, vier Monate nach seinem Beginn, braucht Präsident Nikolas Sarkozy ein parlamentarisches Mandat für den Einsatz. Er hofft, dass Diktator Gaddafi bis dahin aufgegeben hat.

Norwegen, einer der aktivsten Teilnehmer bei den Luftangriffen, muss sich am 1. August zurückziehen, weil die Logistik fehlt, einen „längeren Einsatz aufrechtzuerhalten“, gab Verteidigungsministerin Grete Faremo zu. Holland hat seinen Libyeneinsatz zwar wie die Allianz verlängert, lässt seine F16-Kampfflugzeuge aber nicht an Angriffen teilnehmen. Dänischen Flugzeugen ging die Munition aus.

Admiral Stanhopes Äußerungen sind eine direkte Kritik an der Neuorientierung der britischen Streitkräfte im Herbst, die eher von Sparmaßnahmen als Strategie diktiert war und zur Verschrottung des einzigen aktiven Flugzeugträgers führte. Stände die „Ark Royal“ noch zur Verfügung, hätten Flugzeuge schneller, flexibler und billiger vor der libyschen Küste starten können, betont er.

Sein französischer Amtskollege Admiral Pierre-François Forissier bestätigt, dass ein britischer Flugzeugträger Frankreichs „Charles de Gaulle“ entlastet hätte – der wohl ebenfalls kaum über Ende 2011 hinaus eingesetzt werden kann. Auch Frankreichs Kampfflugzeug „Rafale“ hängt am Zapfhahn amerikanischer Lufttanker. Der Mangel an Ausrüstung dürfte sich besonders deutlich zeigen, wenn der Einsatz von Bodentruppen beginnt, der laut Forissier für die humanitäre Hilfe unausweichlich ist, weil „in der ersten Phase Soldaten am einfachsten und schnellsten einsetzbar sind“.

So sehr der Libyenkonflikt die britisch-französische Militärpartnerschaft stärkt, so sehr stellt er ihre strategischen Positionierungen infrage. Britische Armeekreise fordern eine Revision des erst im Herbst vorgelegten Verteidigungsweißbuchs. In Frankreich ist das „Livre blanc“ von 2008 nicht zuletzt durch Deutschlands Libyen-Abstinenz Makulatur geworden. Frankreichs Reintegration in die Nato-Kommandostruktur 2009 sollte vom Ausbau der europäischen Verteidigungskapazität flankiert werden. Doch die europäische Eingreiftruppe von 60 000 Mann, deren Säulen Deutschland und Frankreich sein sollten, war eine Illusion, stellt man in Paris bitter fest.

Der britische Verteidigungsminister Liam Fox attackierte schon im Februar, vor dem Ausscheren Deutschlands, dessen Weigerung, seinen Anteil an der multinationalen Hubschrauberinitiative für Afghanistan zu leisten: „Einige Länder fliegen die Einsätze und zahlen, während andere in der Gleichung fehlen“. (mit dpa)

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