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Neue Rolle. Birgit Fischer übernimmt im Mai beim einflussreichen Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) den Job der Hauptgeschäftsführerin.

© dpa

Ministerin, Kassenchefin, Lobbyistin: Fischers Wechsel löst Kritik aus

Birgit Fischer, Vorstandvorsitzende der Barmer GEK mit 8,6 Millionen Versicherten, wird Cheflobbyistin der Pharmaindustrie. Ein Wechsel, der Kritik auslöst.

Berlin - Das Ganze erinnere an den Wechsel von Bert Rürup zum anrüchigen Finanzvertriebskonzern AWD, sagen Sozialpolitiker. Doch diesmal gilt die Erregung nicht dem Regierungsberater in Sachen Rente, sondern der Chefin der größten gesetzlichen Krankenkasse. Birgit Fischer, Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK mit 8,6 Millionen Versicherten, wird Cheflobbyistin der Pharmaindustrie. Im Mai übernimmt sie beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) den Job der Hauptgeschäftsführerin.

Rein rechtlich sei ein solcher Seitenwechsel kein Problem, heißt es dazu in der Politik, anrüchig aber sei er allemal. Und auch erstaunlich mit Blick auf Fischers Vita. Die gelernte Pädagogin saß von 2005 bis 2007 im Präsidium der Bundes-SPD und war von 2002 bis 2005 Gesundheitsministerin in Nordrhein- Westfalen. Das sei jetzt, „als wenn der Papst zu den Atheisten geht“, höhnt FDP-Expertin Ulrike Flach. Und ihr CDU-Kollege Jens Spahn versucht sich in einen Sozialdemokraten hineinzudenken. Für den, so sagt er, sei die Personalie „doch so, als würde ein Grüner zur Atomlobby wechseln“.

Doch Karl Lauterbach gibt sich gelassen. Fischers parteipolitische Betätigung liege lange genug zurück, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Und dass es doch von Vorteil sei, wenn die SPD nach einem Regierungswechsel in der Pharmabranche auf jemanden treffe, der wisse, „wie überhöht die Arzneipreise in Deutschland sind“. Es könne nicht schaden, wenn die Arzneihersteller „ mal mitbekommen, wie in der Kassenlandschaft gedacht wird“, meint auch Biggi Bender (Grüne). Allerdings sei der Wechsel „nicht sehr geschmackvoll“.

In Pharmakreisen hieß es, durch Fischers Verpflichtung habe man sich für die anstehenden Preisverhandlungen mit den Kassen rüsten wollen. Allerdings habe auch der Eindruck eine Rolle gespielt, „politisch zunehmend außen vor zu sein“. Angelastet wurde dies der bisherigen Vfa-Lobbyistin und früheren CDU-Politikerin Cornelia Yzer. Dass ein FDP-Minister der Branche Zwangsrabatte und Einbußen bescheren würde, hatte viele Firmen kalt erwischt. Zwar hätte sich dies aus ihrer Sicht auch mit anderem Personal kaum verhindern lassen. „Doch es wäre hilfreich gewesen, rechtzeitig davon zu wissen – etwa um Rückstellungen zu bilden.“

Hinzu kommt der ersehnte Imagewechsel. Als Kassenchefin mühte sich Fischer bereits um weniger Konfrontation zwischen den Akteuren. Und ihren Wechsel begründet sie nun mit der Notwendigkeit, ein „neues gemeinsames Verständnis aller Beteiligten im Gesundheitswesen über Perspektiven und mögliche Problemlösungen“ zu erzeugen. Idealismus als Beweggrund für den Wechsel zu den Lobbyisten? Die Aussicht, dort das Doppelte zu verdienen, könne es nicht allein gewesen sein, meinen Wegbegleiter.

Linken-Expertin Martina Bunge jedoch weist das von sich. Dem Profitstreben der Pharma-Riesen lasse sich „kein soziales Mäntelchen umhängen“. Wenn die Chefin der größten Kasse direkt zur Pharmalobby wechsle, sei das „moralisch unanständig, sozialpolitisch pervers und Verrat an den Versicherten.“ Und es werfe „ein Schlaglicht darauf, dass sich die Sozialdemokraten immer weiter von einer solidarischen Krankenversicherung verabschieden“. Lauterbach hält dagegen. Die Hersteller sollten sich nun „nicht erhoffen, von uns geschont zu werden“. Noch im Mai werde die SPD ein Modell vorlegen, wie sich die Arzneipreise „auf europäisches Durchschnittsniveau“ senken lassen. „Das bedeutet dann auch eine deutliche Schmälerung der Gewinnmargen“.

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