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Peter Harry Carstensen

© dpa

Ministerpräsident Carstensen: "Ich habe keine Lust, einen schmutzigen Wahlkampf zu führen"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen über die Vertrauensfrage, die Bilanz der großen Koalition in Kiel und seinen Kontrahenten Ralf Stegner

Herr Carstensen, wie werden Sie sich an diesem Donnerstag  in der Abstimmung zu der von Ihnen selbst gestellten Vertrauensfrage verhalten?

Ziel ist es nun mal, zu Neuwahlen zu kommen. Das wird man dann schon am Abstimmungsverhalten festmachen können. Wie ich persönlich abstimme, das sehen Sie dann, wenn es soweit ist. Ich bin ja ursprünglich für eine andere Lösung gewesen, wollte einen saubereren Weg mit der Abstimmung zur Auflösung des Parlamentes beschreiten, bin dann aber in die Vertrauensfrage hineingezwungen worden. Übrigens haben wir dieses parlamentarische Instrument erst seit 1990, und das erfolgte seinerzeit auf Betreiben der SPD.
 
Ist die Koalition nun inhaltlich gescheitert? Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Nein, das kann ich so nicht sagen, da muss man auch die ersten Jahre und die letzte Zeit trennen. Wir haben jetzt beispielsweise große Erfolge bei den Arbeitsmarktdaten. Da sind wir im Bundesvergleich immer schlechter gewesen, befinden uns nun aber über dem Durchschnitt. Oder nehmen Sie unsere Verkehrspolitik. Es gibt gerade bei uns so viele Baustellen zur Urlaubszeit, weil wir da anpacken und das Land voranbringen. Vieles wäre ohne das ständige Querschießen des SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner besser gelaufen. Blicken wir nach vorn, haben wir noch eine wirtschaftlich und finanziell schwierige Phase durchzustehen. In den letzten beiden Quartalen dieses Jahres werden wir annähernd 700 Millionen Euro weniger an Steuereinnahmen haben, 2010 fehlt uns gar eine Milliarde. Solch eine schwierige Situation kann nur in einer funktionierenden Koalition gemeinsam getragen werden, wo nicht einer ausschert, sich dann aus der Verantwortung stiehlt und Briefe schreibt, in denen wir als die Bösen hingestellt werden und er sich in ein gutes Licht stellen will.
 
Der Bund der Steuerzahler stellt der jetzt von Ihnen aufgekündigten Koalition ein katastrophales Zeugnis aus, was Ihr Ziel von 2005 angeht, den Haushalt zu konsolidieren. Ist die Einschätzung richtig?

Der Bund der Steuerzahler soll mal in den letzten Bericht des Landesrechnungshofes reingucken. Dort wird uns nämlich attestiert, dass wir mit den mehr eingenommenen Steuereinnahmen sehr verantwortungsvoll umgegangen sind. Die finanzielle Lage des Landes ist nun mal schlecht, und Verantwortung trage ich auch nicht für das, was vor meinem Regierungsantritt 2005 schon vorhanden war. Ralf Stegner hat noch als zuständiger Finanzminister einen Haushalt mit einer Deckungslücke von 500 Millionen Euro vorgelegt. Bei einem genauen Blick in die Kasse stellten wir dann gar eine Netto-Neuverschuldung von 940 Millionen Euro fest. Dass ich jedes Jahr mittlerweile eine Milliarde Euro an Zinsen zu zahlen habe, das ist nicht Schuld der CDU. Dafür haben andere zu haften.
 
Hand aufs Herz: Ist Ralf Stegner wirklich solch ein "Stinkstiefel"?

Nein, so würde ich nie über einen Menschen reden. Was ich gesagt habe, ist, dass ich ihn als notorischen Störenfried bezeichne - und dazu stehe ich.
 
Ihr Herausforderer unterstellt Ihnen, Sie hätten die Koalition nur aufgekündigt, um zu Wahlen am 27. September zu kommen und damit von Ungereimtheiten rund um die HSH Nordbank abzulenken.

Wenn von Ungereimtheiten die Rede ist, dann liegen die ja wohl eher bei der SPD, die auch Einblick und Verantwortung in Entscheidungsgremien der Bank besaß. Ich bin froh, dass der Parlamentarische Untersuchungsausschuss weiter tagen wird. Ich will auch Transparenz in alle Verantwortlichkeiten haben. Und zwar nicht nur, wie man die Krise gemanagt hat, sondern auch, wie die Bank dort erst hineingeführt wurde.
 
Welchen Schaden haben die Geschehnisse der vergangenen Tage ihrer Ansicht nach für Schleswig-Holstein gebracht?

Dass die Leute sich abwenden von der Politik. Das macht mir große Sorge. Ich habe kein Interesse am Streit und auch keine Lust, einen schmutzigen Wahlkampf zu führen. Ich wäre dankbar, wenn das von der SPD auch so gesehen wird.
 
Haben Sie sich als Regierungschef rückblickend etwas vorzuwerfen?

Dass ich die Koalition früher hätte aufkündigen sollen, das haben mir immer wieder etliche aus meiner Fraktion vorgehalten. Gründe waren immerhin genügend vorhanden. Aber in strittigen Koalitionsausschüssen haben dann ja auch wie zuletzt im Juni, als ein Ralf Stegner absolut unvorbereitet in unsere Sitzung gekommen ist, Lothar Hay und Uwe Döring aus dem Kabinett sowie der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Holger Astrup schlichtend eingegriffen und Stegner die Verhandlungen praktisch aus der Hand genommen. Und natürlich hätte ich meinen Brief an den Landtagspräsidenten, bezogen auf die HSH, anders abfassen müssen. Aber ich betone noch einmal: Ich lasse mich nicht der Lüge bezichtigen, denn die unkorrekte Formulierung ist keinesfalls bewusst von mir erfolgt.
 
Wird es aufgrund Ihrer Popularität einen besonders auf Ihre Person zugeschnitten Wahlkampf geben?

Nein. Vorrangig geht es der CDU um Sachthemen. Trotzdem freue ich mich natürlich über den großen Zuspruch, den ich bei öffentlichen Terminen in den vergangenen Tagen bekommen habe.
 
Es gibt von Ihnen die Aussage, dass Sie für die nächste Wahlperiode ein Bündnis mit der FDP anstreben. Meinen Sie, dass das Regieren mit Liberalen wie Wolfgang Kubicki solch einen Spaß machen wird?

Es geht nicht darum, ob einem das Regieren Spaß macht. Es geht in erster Linie darum, mit wem man die größten Schnittmengen hat und wer sich verlässlich verhält, wenn etwas gemeinsam beschlossen wurde. Und das ist bei der FDP meines Erachtens der Fall. Es ist aber selbstverständlich ein gutes Gefühl, wenn nach den aktuellen Umfragewerten für uns als CDU auch noch andere Optionen in Frage kommen.
 
Ist Ihnen denn nun ein für alle Mal die Lust auf große Koalitionen verloren gegangen?

Große Koalitionen stehen eigentlich für große Entscheidungen. Dazu gehört aber auch ein Bündnis von Leuten, die sich verstehen. Wir in Schleswig-Holstein haben seinerzeit ja nur als Notlösung zusammengefunden, waren eigentlich viel zu weit auseinander positioniert. Große Koalitionen sind immer nur eine Notlösung.
 
Das Gespräch führte Dieter Hanisch. 

Dieter Hanisch

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