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Minsk: Gewalt gegen Oppositionelle

Nach einer Kundgebung der weißrussischen Opposition sind in Minsk zahlreiche Regimegegner brutal festgenommen worden. Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch war entgegen ersten Berichten nicht unter den Inhaftierten.

Minsk - Im Stadtzentrum kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Polizei setzte Rauchbomben und Schlagstöcke ein. Mindestens drei Menschen wurden verletzt. Die Polizei nahm auch den früheren Präsidentschaftskandidaten Alexander Kosulin fest, nachdem dieser zur Erstürmung eines Gefängnisses aufgerufen hatte. Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch dementierte erste Meldungen, wonach auch er in Polizeigewahrsam sei.

«Nicht ich, sondern mein Pressesprecher Pawel Maschejka ist unter einem erfundenen Vorwand festgenommen worden», sagte Milinkewitsch der Agentur Interfax. Maschejka wurde am Abend wieder freigelassen. Ein Behördensprecher bestätigte, dass mehrere hundert Personen festgenommen und mit Bussen abtransportiert worden seien. Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei mit großer Härte vor und prügelte mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein. Ein Mann habe mit schweren Kopfverletzungen auf dem Asphalt gelegen, sagte ein Sprecher der Opposition.

Innenminister Wladimir Naumow sprach am Abend von einem «gerechtfertigten Polizei-Einsatz». Anlass zum Eingreifen sei die Aufforderung Kosulins gewesen, körperliche Gewalt gegen das Staatsoberhaupt anzuwenden und einen Staatsstreich durchzuführen. Die Polizei habe alles getan, um unbeteiligte Zivilisten vor Schaden zu bewahren, betonte Naumow. Insgesamt neun Personen seien verletzt worden, darunter acht Angehörige der Sicherheitskräfte.

Im gesamten Stadtzentrum machte die Polizei über Stunden Jagd auf Oppositionsanhänger. In einem Kaufhaus an der Nemiga-Straße seien mehrere Lukaschenko-Gegner inmitten von Kunden zusammengeschlagen und mit einem Polizeiwagen abtransportiert worden, meldete die Agentur Belapan.

Nach dem Ende der Kundgebung im Kupala-Park in der Nähe des Oktoberplatzes war etwa ein Drittel der insgesamt schätzungsweise 5000 Oppositionsanhänger in Gruppen in Richtung Südwesten marschiert. Kosulin hatte die Menschen aufgefordert, die bereits im Untersuchungsgefängnis in der Okrestin-Straße inhaftierten Regimegegner zu befreien. Unterwegs kam es zu der Konfrontation mit den Sicherheitskräften. In der Haftanstalt sitzen nach Schätzungen etwa 300 Oppositionelle ein, die bei den Dauerprotesten nach der Lukaschenko-Wahl in den vergangenen Tagen festgenommen worden waren.

Milinkewitsch gründet Widerstandsbewegung

Milinkewitsch kritisierte seinen Weggefährten Kosulin wegen des Aufrufs zur Erstürmung des Untersuchungsgefängnisses. «Das war eine Provokation, die der Staatsmacht sehr gelegen kam», betonte Milinkewitsch. Zuvor hatten beide Politiker, die als Herausforderer Lukaschenkos bei der Präsidentenwahl vom 19. März unterlegen waren, die Gründung einer neuen Protestbewegung unter Einbeziehung aller demokratischen Parteien und Bewegungen verkündet. Die Ziele der Bewegung seien «Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit», sagte Milinkewitsch.

Die Oppositionspolitikerin Ljudmila Grjasnowa von der Vereinigten Bürgerpartei rief den Westen auf, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen dessen Unterstützung für Lukaschenko zu erhöhen. Putin dürfe nicht mehr den Vorsitz der G8- Industriestaaten in diesem Jahr innehaben, forderte Grjasnowa.

Das Vorgehen der Staatsmacht gegen die friedlichen Oppositionsanhänger war bereits vor der Massenverhaftung am Samstag von der Europäischen Union und den USA stark kritisiert worden. US- Präsident George W. Bush bekundete den demokratischen Kräften Weißrusslands in einer persönlichen Botschaft seine Sympathien. «Ich sende meine Grüße an jene, die sich für die Rückkehr der Freiheit in Weißrussland einsetzen», sagte Bush am Freitagabend (Ortszeit) in Washington.

Die Opposition hatte sich am Samstag zum alljährlichen «Tag der Freiheit» versammelt, der an die Ausrufung der unabhängigen Republik Weißrussland vom 25. März 1918 erinnert. Lukaschenko hatte nach seinem Amtsantritt 1994 Kundgebungen an diesem Feiertag verboten. (tso/dpa)

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