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Was für ein Typ. Philipp Rösler vor wenigen Tagen bei einer Wahlveranstaltung.

© dpa

Missglücktes Interview: Fragen nach Röslers Herkunft: Alltagsrassismus bei der "Taz"?

FDP-Chef Philipp Rösler wurde nach seiner Herkunft gefragt, er wollte nicht antworten. Das hat die Tageszeitung "Taz" nicht akzeptiert und aus Protest nur die Fragen des Interviews abgedruckt. Nun trifft die Zeitung die scharfe Kritik ihrer Leser. Ist das Vorgehen rassistisch?

Von Antje Sirleschtov

Muss sich ein deutscher Politiker dafür rechtfertigen, dass er Deutschland als seine Heimat und das „coolste Land der Welt“ ansieht und seine deutschen Eltern liebt – obwohl er ein in Vietnam geborenes Adoptivkind ist? Die „Taz“ findet: Ja. „Warum interessiert Sie persönlich das Land Ihrer leiblichen Eltern nicht?“, fragen die Journalisten.

Muss ein Politiker erklären, wann er als Kind zum ersten Mal verletzt wurde, weil ein Spielkamerad seine mandelförmigen Augen komisch fand und hänselte? Und muss sich dieser Politiker danach für den Rest seines Lebens als Rassismus-Opfer outen? Die „Taz“ findet: Natürlich. „Wann“, haben die Journalisten der „Taz“ den FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler gefragt, „Wann haben Sie bewusst wahrgenommen, dass Sie anders aussehen als die meisten Kinder in Deutschland?“ Und weil das noch nicht genug war, setzten sie nach: „Warum werden Sie gehasst?“.

Am Dienstag traf die „Taz“ selbst eine Welle der Entrüstung. „Alltagsrassismus“ nannten Kommentatoren die Fragen der Reporter, von „Frechheit“ und „Infamie“ war die Rede. Auf einer ganzen Seite hatte die Zeitung ihre Fragen an Rösler veröffentlicht und dort, wo seine Antworten stehen sollten, nur Punkte hingesetzt. Philipp Rösler hatte das Interview nicht autorisiert. Er hatte eine gute Stunde lang mit den Reportern gesprochen und dabei, so jedenfalls stellt es sein Pressesprecher dar, schon deutlich gemacht, dass er über seine vietnamesische Herkunft nicht sprechen wolle. Und schon gar nicht über „Hass“.

Aber die „Taz“ wollte das. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl machte die Zeitung nicht die Politik des FDP-Vorsitzenden zum Thema, nicht seine Bilanz als Wirtschaftsminister, sondern seine asiatische Herkunft. Und weil er darüber partout keine Auskunft geben wollte, steht er nun mit seiner leeren Zeitungsseite da wie einer, der zu feige ist zu antworten. Die „Taz“ rechtfertigt sich mit Hinweisen auf „Theorie“ und „Praxis“ der Interviewführung.

Und ihre Leser? Die sind entsetzt, unterstellen den Reportern, es ginge ihnen nicht um politische Berichterstattung, um ein „Wahl-Gespräch“, wie sie selbst behaupten, sondern darum, einen FDP-Politiker bloßzustellen – einen, der nicht dem Bild eines geknechteten Migranten entsprechen will. Mails prasseln seit Dienstagnacht auf die linke Zeitung nieder. Man hat noch in Erinnerung, wie, es ist keine vier Wochen her, ein unliebsamer Kommentar über die pädophile Vergangenheit der Grünen per Order der Chefredakteurin Ines Pohl aus dem Blatt geschmissen wurde. Jetzt wird der FDP-Vorsitzende inquisitorisch genötigt sich dazu zu äußern, dass „andere“ Probleme mit seinem asiatischen Äußeren haben.

Und Rösler? Der kennt das schon. Das Herumgespsychologisiere um seine Adoption genau so wie das Geraune darum, ob man „einem Fidschi“ guten Gewissens das Land überlassen dürfe.

Keine vier Wochen ist es her, Rösler saß Sonntagmittag in der Bundespressekonferenz. „Tag der offenen Tür“, der Saal war proppenvoll mit Bürgern, und die erste Frage bezog sich auf Guido Westerwelle. Warum er, Rösler, als Katholik, wollte einer im Publikum wissen, es nicht verhindere, dass der Schwule im Außenamt regiere?

Auch so eine Unverschämtheit. Dergleichen erlebt Rösler häufig. Manchmal ist es Dummheit, manchmal Gedankenlosigkeit, dann auch unverholener Rassismus. In Briefen, Mails, direkten Gesprächen. Sogar aus der eigenen Partei schlägt ihm das entgegen. An jenem Sonntag sagt Rösler ganz ruhig, es sei ihm gleichgültig, wer sich liebe. „Hauptsache Liebe!“ Der Saal tobt, Bravorufe. Der Schwulenhasser steht allein. Das ist meistens so.

Und trotzdem thematisieren Rösler, Westerwelle, Aydan Özoguz oder Cem Özdemir, um einige zu nennen, die niveaulosen Angriffe auf sie widerwillig. Es geht vielen mit fremd klingenden Namen, aber auch Lesben und Schwulen in der Politik so. Einer rät es dem anderen: Bloß nicht antworten, bloß kein öffentliches Aufsehen erregen. Man weiß nie, ob man gewaltbereite Irre anzieht. Es ist keine Feigheit solcher Politiker, sich nicht mehr für Minderheiten einzusetzen. Sie wollen an ihrer politischen Leistung gemessen werden. Und oft treibt sie auch einfach nur Sorge: Rösler hat zwei kleine Kinder und kein Interesse daran, mit Journalisten über „Hassmails“ zu reden, die Nachahmer auf den Plan rufen könnten. Sich auf solche Äußerungen einzulassen, bedeutet ja auch, ihnen Macht zu geben.

Warum muss Rösler seine Mutter in Vietnam suchen, um glaubwürdig zu sein? Man unterstellt ihm, er müsse das, um den Beweis anzutreten, dass seine Liebe zu Deutschland bewusst und er mit sich im Reinen ist. Vielleicht gehört dieser Philipp Rösler einfach nur zu jener Gruppe der Adoptivkinder, die nach ihrem schweren Start ins Leben eine Familie gefunden haben, die sie ohne Abstriche als ihre betrachten und deshalb kein Bedürfnis nach später Aufarbeitung empfinden. Sollen sie das nicht dürfen? Wie Röslers Antwort auf diese Frage ausfällt – es ist seine private Angelegenheit.

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