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Politik: Mission erfüllt

Israel räumt die letzte jüdische Siedlung im Gazastreifen: Schlussstrich unter 38 Jahre Besetzung

Seit Montagabend lebt kein israelischer Siedler mehr im Gazastreifen. 38 Jahre Besetzung und mehr als 35 Jahre jüdischer Ansiedlung in diesem schmalen, dicht bevölkerten Landstreifen sind damit zu Ende, alle 21 Siedlungen geräumt.

Die letzte war die lange Jahre umstrittenste: das total isolierte Netzarim am südlichen Stadtrand von Gaza-Stadt. Spätestens in der Nacht auf Montag war klar geworden, dass diese letzte Siedlungsräumung im Gazastreifen ohne echten Widerstand und ohne Zusammenstöße erfolgen würde. Der Siedlungs-Rabbiner rief die Armee an und bat sie im Namen der Siedler, die in Netzarim eingedrungenen militanten Jugendlichen sofort zu entfernen, damit die Räumung würdevoll erfolgen könne. Nach stundenlangen Gebeten und Abschieds-Gottesdiensten zogen alle Siedler mit ihren Thorarollen und begleitet von Rabbinern, Abgeordneten und der Armee ein letztes Mal durch ihre Siedlung und danach durch das Siedlungstor, das daraufhin geschlossen wurde. Autobusse brachten sie auf ihren Wunsch zuerst nach Jerusalem zum Gebet an der Klagemauer und danach in die Großsiedlung Ariel im Westjordanland, wo sie in den Studentenwohnheimen bis zum Bau ihrer neuen Häuser untergebracht sein werden, also wohl während der kommenden zwei Jahre.

Ihre Siedlungen Netzarim, Kfar Drom und Azmona sollen am Rande der Negevwüste wiedererstehen. In den vergangenen Tagen fanden erste Gespräche zwischen Repräsentanten dieser Siedlungen, deren Bewohner auch in Zukunft zusammenbleiben wollen, und dem Amt des Ministerpräsidenten statt. „Wir sind bereit, die Welt auf den Kopf zu stellen, um die geräumten Siedlungen an einem anderen Ort wieder zu errichten“, verlautete aus Ariel Scharons Büro. Am Montagmittag setzte sich ein erster Konvoi von 400 Autobussen und Lastwagen mit tausenden Soldaten und Polizisten in Richtung nördliches Westjordanland in Bewegung. Dort sollen am heutigen Dienstag die letzten vier im Rahmen des so genannten „Einseitigen Loslösungsplans“ zur Räumung bestimmten Siedlungen geräumt und damit die gesamte Aktion abgeschlossen werden. Zwei von ihnen, Ganim und Kadim, stehen seit Tagen leer. In ihrer Nähe und rund um die angrenzende palästinensische Stadt Dschenin haben palästinensische Polizisten Stellung bezogen, um Ausschreitungen und Plünderungen durch Palästinenser zu verhindern.

Erhebliches Kopfzerbrechen bereitet den israelischen Sicherheitsbehörden die Situation in den beiden anderen Siedlungen Sanur und Homesch, wo sich zwar nur noch 60, meist zur Räumung bereite Siedlerfamilien befinden, zu denen jedoch extrem militante nationalistische Fanatiker gestoßen sind. Nach jüngsten Schätzungen sind es 700 in Sanur und 1400 in Homesch. Praktisch stündlich werden weitere Eindringlinge in das militärische Sperrgebiet abgefangen.

Doch nur fünf derjenigen, die sich bereits verbarrikadiert hatten, gaben am Montagmorgen auf: Ihre Eltern hatten den Minderjährigen befohlen, sofort nach Hause zu kommen. Siedlerfrauen mit ihren Kindern verließen die Siedlungen am Montag aus Angst vor gewaltsamen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Befürchtungen von Armee und Polizei, die Fanatiker könnten von ihren Schusswaffen Gebrauch machen, Gebäude in die Luft sprengen oder mit Gewalt gegen die Uniformierten vorgehen, wurden von Sprechern in beiden Siedlungen als Angstmache und Propagandalügen zurückgewiesen.

Allerdings: Der militanteste Rechtsaußen im Parlament, Arie Eldar von der Nationalen Union, kündete einen „äußerst bitteren Kampf“ zum Abschluss der Siedlungsräumungen an.

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