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Politik: Mit allem Respekt

Bill Clinton spricht die Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Washington offen an. Wie er selbst darüber denkt, behält er allerdings für sich

Von Christoph von Marschall

und Robert von Rimscha

Er tritt auf wie der geborene Versöhner. Bill Clinton lobt die Deutschen für ihre Leistungen im Krieg gegen den Terror an der Seite der USA. Und er stellt Amerikas unverbrüchliche Treue zu Deutschland heraus, „egal, ob ein Demokrat oder ein Republikaner im Weißen Haus regiert und welche Partei den deutschen Kanzler stellt“.

Wo er selbst im Streit zwischen Präsident Bush und Kanzler Schröder um die Irak-Politik steht, lässt er nicht erkennen – was ihm am Verhalten der beiden missfallen hat, nur indirekt. Es gibt gravierende Meinungsverschiedenheiten, sagt Clinton beim Abendempfang der „Werkstatt Deutschland“ im Adlon. Das sei nicht schlimm, solange sie „mit Respekt voreinander“ ausgetragen würden. Eine Kritik an den Verbalausfällen der Schröder-Mannschaft gegen Bush? „Militärische Antworten genügen nicht“, sagt Clinton aber auch. „Wir müssen mehr tun, damit wir mehr Freunde und weniger Feinde haben.“ Eine Kritik am Bush-Team?

Der Irak ist „ein äußerst schwieriges Problem. Wäre es leicht, hätten wir schnell Einigkeit.“ Überhaupt, wenn es keine Meinungsunterschiede gäbe, „hieße das, dass einer von beiden nicht nachdenkt“. Clinton dankt „für das, was Deutschland in Afghanistan getan hat und weiter tun wird“. Er ist „stolz, dass Amerika an Deutschlands Seite stand. Und ich bin sicher, dass die USA auch in Zukunft dort stehen.“ Rauschender Beifall – und jemand raunt: „Wenn der noch Präsident wäre, würden wir vielleicht sogar Truppen in den Irak schicken.“

Verteidigungsminister Struck hat zuvor den gleichen Ton angeschlagen. Ohne die Solidarität Amerikas wäre die deutsche Einheit nicht möglich gewesen. „Die USA wissen, dass sie sich auch heute auf Deutschland verlassen können.“ Er warnt davor, „aus Meinungsunterschieden in tagespolitischen Fragen eine Krise zu konstruieren“.

Dies war auch der Tenor der Gespräche, die Clinton am Freitagmorgen mit Schröder, Bundespräsident Rau und Alt-Kanzler Kohl führte. Vor allem die Begegnung mit Rau verlief „außerordentlich freundschaftlich“ und „sehr, sehr offen“, hieß es hernach. Die deutsche Seite war begeistert von der „Klarheit und Präzision der Analyse“, die Clinton vortrug. Es ging in dem „sehr dichten, intensiven Austausch“ um die aktuellen Themen: die bilateralen Beziehungen, Irak, Nahost, die Rolle der UN in beiden Konflikten. Rau wollte aber auch wissen, wie Clinton die Entwicklung bei sich zu Hause sieht: die Kongresswahlen Anfang November, wo die knappen Mehrheiten der Demokraten im Senat und der Republikaner im Repräsentantenhaus zur Disposition stehen, und die innere Verfassung der Demokraten, denen sich die SPD näher sieht als Bushs Partei. Ein reiner Höflichkeitsbesuch war die 45-minütige Begegnung nicht.

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