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Politik: Mit den Flügeln schlagen

100 Tage ist die PDS-Führung im Amt. Doch Chefin Gabi Zimmer hat noch immer Mühe, ihre Partei auf Kurs zu bringen

Von Matthias Meisner

„Die PDS ist niemandes Beute.“ Es war eine eindringliche Warnung, die PDS-Chefin Gabi Zimmer vor wenigen Tagen am Rande einer Vorstandssitzung aussprach. Erneut hatte die Führung stundenlang über die so genannte „Wachbuchaffäre“ um Diether Dehm diskutiert – dem Parteivize wird vorgehalten, nach dem Geraer Parteitag angewiesen zu haben, Ex-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch beim Verlassen der Parteizentrale zu kontrollieren. Die Affäre wurde zur zentralen Angelegenheit der Parteispitze, die an diesem Dienstag 100 Tage im Amt ist. Verstärkt wurde so der Eindruck, dass die PDS sich mehr und mehr zu einer politikunfähigen Sekte entwickelt.

Zimmer, die ihr Amt drei Wochen nach dem PDS-Debakel bei der Bundestagswahl verteidigt hatte, verzichtet zum Jubiläum auf eine Zwischenbilanz. Umso kritischer äußern sich Vertreter der verschiedenen Parteiflügel. Sehr ernüchtert betrachten sie die Chancen der Partei auf ein bundespolitisches Comeback. „Wenig spannend“ findet der frühere Parteimanager Bartsch derzeit die PDS: „Die Öffentlichkeit schaut uns nur ein bisschen beim Sterben zu.“

Noch indes zerren viele Genossen, Zimmers Warnung zum Trotz, an ihrer eigenen Partei. Sie versuchen, den in Gera eingeschlagenen Kurs in Richtung einer klareren Oppositionspolitik zu wenden. Die SPD musste erfahren, dass ihre öffentlich ausgesprochene Einladung an die PDS-Reformer, doch die Seiten zu wechseln, unerwidert blieb.

Erst am Wochenende machten sich die in Gera unterlegenen Reformer auf einer „Erneuerungs“-Konferenz in Berlin Mut, mahnten „Politik im Hier und Heute“ an. Doch keine dieser Initiativen bleibt ohne innerparteilichen Widerspruch. Dutzende Genossen hatten zuvor in einer Unterschriftensammlung gefordert, der sozialistische Charakter der PDS sei zu verteidigen. Lähmende interne Machtkämpfe müssten ein Ende haben, „abstruse Entschuldigungen für die Existenz der DDR“ dürfe es nicht mehr geben: „Eine zweite sozialdemokratische Partei in unserem Lande ist überflüssig.“

Doch wenn die Parteichefin mehr Farbe bekennt, geht es meist schief. Ihre Ankündigung, bei einer Beteiligung Deutschlands an einem Irak-Krieg müsse auch über den Fortbestand der rot-roten Koalitionen in Berlin und Schwerin nachgedacht werden, löste im Vorstand heftige Debatten aus. „Unheilvoll“, „kontraproduktiv“ und „sehr fahrlässig“ seien solche Drohungen, kritisierten Redner. Nachdem sie sich nur noch von der Kommunistischen Plattform bestärkt sah, ruderte Zimmer zurück. Sie wird angetrieben vom Bemühen, die verschiedenen Flügel der Partei zu integrieren. Und beschränkt sich dann auf Formelkompromisse und ideologische Worthülsen.

Nach diesem Muster wurde auch der Fall Dehm geklärt. Zimmer selbst hatte eine Auszeit von Dehms Vorstandsarbeit erzwungen, gehörte dann aber zu denen, die ihm eine neue Chance gaben. Tatsächlich hätte ein Rücktritt Dehms einen Sonderparteitag zur Folge gehabt – zu groß erschien der Führung die Gefahr, dass dann der gesamte in Gera gewählte Vorstand gekegelt werden könnte. Zeitgleich mit Dehms Wiedereinsetzung ins Amt beauftragte die Führung den Europaabgeordneten André Brie, einen der schärfsten Dehm-Kritiker, den Europawahlkampf zu organisieren. „Darin zeigt sich Zimmers Dilemma“, schrieb das „Neue Deutschland“, nachdem die „ausgemachten Gegenpole“ auf einmal beide in die PDS-Spitze zurückgeholt worden waren.

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