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Politik: Mit der Honda in ein neues Leben

Oman verlor seinen Job bei Sony in Jakarta – nun fährt er Taxi

Von Moritz Kleine-Brockhoff,

Jakarta

Oman strahlt fast immer. Schneeweiß sind seine Zähne. Bei einem Schneidezahn ist ein Zacken abgebrochen, aber das stört gar nicht. Das Strahlen scheint herzlich zu sein, es ist warm. „Ja, ich habe es nicht leicht“, meint er ohne ernst zu werden, „was soll´s? Ich habe mein Leben im Griff.“

Oman ist 28, klein und dünn, hat einen Stoppelhaarschnitt und im Spitzbubengesicht Flaum über der Oberlippe und am Kinn. Wenn Oman strahlt, kann das, wie bei allen Indonesiern, viel bedeuten. Oft hat es nichts mit Freude zu tun, sondern mit Verlegenheit. Die kommt, wenn ein Thema unangenehm ist. Zum Beispiel, wenn Oman davon erzählt, wie er seinen Job in der Sony-Fabrik verlor. Und wenn er darüber spricht, wie wenig Geld er seitdem mit seiner neuen Arbeit als „Ojekfahrer“ verdient. „Ojek“ ist ein Motorradtaxi und die billigste Art, in Jakarta zügig vorwärts zu kommen. 1 500 Rupiah, also 25 Cent, kostet eine kurze Fahrt, ein Euro eine lange Strecke. So verdient Oman 80 Euro im Monat. Kann er damit zufrieden leben? Oder flunkert sein Strahlen? „Nein", sagt er fast beleidigt, „ich bin wirklich glücklich. Und stolz, dass ich mir eine neue Existenz aufgebaut habe."

Omans Geschichte ist die von Millionen Indonesiern. Bis 1997 ging es im südostasiatischen „Tigerstaat“ steil bergauf, die Wirtschaft wuchs und wuchs. Firmen bauten in Jakartas Umgebung Fabriken und in der Stadt Hochhäuser. Reich wurde zwar nur die Elite, aber auch viele Arbeiter hatten ein geregeltes Einkommen. Mit 18, Oman hatte gerade seine Ausbildung als Elektriker beendet, stellte Sony ihn 1994 ein. „Alles war gut", sagt er, „ich bekam 13 ordentliche Gehälter, Sony bezahlte eine Krankenversicherung und ein Firmenbus pendelte zwischen meiner Wohnung in Jakarta und der Fabrik in Bekasi.“ Dort produzierten 3000 Arbeiter Stereoanlagen und Videogeräte. Oman kontrollierte, ob die Einzelteile, die auf dem Fließband landen, in Ordnung sind. Mit der Asienkrise kamen ab 1997 die Kündigungsbriefe, seitdem haben rund 40 Millionen Indonesier keinen festen Job.

Das Wort „Krise“ ist eine Untertreibung, die Währung verlor zwei Drittel ihres Wertes. „Nie aufgeben", sagten meine Eltern, „und ich hörte auf sie", meint Oman. Nun sitzt er da, auf seinem kleinen, schwarzen Honda „Astrea Grand"-Motorrad, das ihn durchbringt. Als er arbeitslos wurde, hatte er es gebraucht gekauft mit der 200 Euro Abfindung von Sony. Mittlerweile sind Tacho und Blinker kaputt, aber die Honda fährt – „einwandfrei!", sagt Oman. Mit sechs anderen „Ojekfahrern“ wartet er auf Fahrgäste. Sie kommen, weil sich so viele keine eigenen Autos oder Autotaxis leisten können und weil die Busse nur auf Hauptstraßen fahren.

Die Polizei müsste die „Ojeks", die alle keine Genehmigung haben, eigentlich verscheuchen. Aber weil die Beamten auch nur 120 Euro im Monat verdienen, nehmen sie Oman und seinen Kollegen lieber regelmäßig Geld ab und lassen dafür die Motorradtaxifahrer in Ruhe. Die stehen überall in Jakarta, Omans Platz ist an der großen Rasuna-Said-Straße, die mit ihren funkelnden Bürohäusern vorgaukelt, dass alles in Ordnung sei im Land. Hinter den Fassaden steht viel leer, Oman bringt seine Fahrgäste auf dem Rücksitz in die kleinen Seitenstraßen, wo das arme Jakarta ist.

Dort wohnt auch er. Eine Familie, die sich, ebenfalls ohne Murren, mit einem Restaurant im Vorgarten durchschlägt, hat Oman am Hinterhof ein Zimmer vermietet. Auf dem Betonboden liegt eine dünne Plastikfolie, in der Ecke eine Matratze, Möbel gibt es nicht. „Bald mache ich es schön“, meint Oman ungefragt. Im kleinen Restaurant im Vorgarten raucht er zum Eistee genüsslich eine Zigarette.

Und dann erzählt er, warum er das Zimmer schön machen will: „Meine Frau und mein Baby sollen einziehen, sie sind noch bei den Schwiegereltern, der Kleine ist erst drei Tage alt. Ich war nicht sicher, ob ich durch die Krise komme. Jetzt kann ich mir sogar eine Familie leisten. Und wissen Sie was? Ich fahre gerne Motorrad.“ Oman strahlt wieder.

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