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Vorerst gescheitert. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat noch Zugang zu Syriens Staatschef. Sein Einfluss auf Baschar al Assad scheint aber begrenzt.

© AFP

Syrien: Mit freundlichen Grüßen aus Moskau

Russlands Außenminister wollte in Damaskus eine „politische Lösung“ suchen. Am Ende blieb es bei altbekannten Worthülsen.

Der Staatsjubel funktioniert noch. „Danke Russland, danke China“, stand auf den Transparenten, mit denen Tausende Regimeanhänger den Gast aus Moskau bei seiner Fahrt zum Präsidentenpalast in Damaskus begrüßten. Begleitet von weltweiter Empörung über Russlands Veto im UN-Sicherheitsrat war Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag nach Syrien gereist, um mit Präsident Baschar al Assad „eine politische Lösung“ des Konflikts in Syrien zu suchen. Zur selben Zeit ließ dessen Regime die Stadt Homs bereits den vierten Tag in Folge bombardieren. Auch in der nördlichen Region um Idlib sowie den Vororten von Damaskus ging die Armee mit aller Härte vor.

Assad sei „absolut entschlossen, das Blutvergießen zu beenden“, erklärte Lawrow nach dem knapp zweistündigen Gespräch und bezeichnete sein Treffen als „sehr nützlich“. Weitere Zugeständnisse des syrischen Machthabers konnte er allerdings nicht vermelden, obwohl der Kreml vor seiner Abreise lanciert hatte, Lawrow wolle Assad zum Rücktritt bewegen sowie eine stufenweise Übergabe der Macht verhandeln. Der syrische Diktator dagegen erklärte sich lediglich bereit, einen konkreten Zeitplan für ein Verfassungsreferendum festzulegen. Anfang Januar hatte Assad bei seiner öffentlichen Rede den März als Termin genannt. Mitte Januar kündigte sein Außenminister an, das Volk solle „in einer Woche oder etwas später“ über die neue Verfassung abstimmen. Am letzten Samstag nannte der syrische UN-Botschafter dann im Sicherheitsrat den Februar als Termin. Wer die neue Verfassung erarbeitet, ist unklar. Angeblich soll sie ein Mehrparteiensystem einführen und die Amtszeit des Präsidenten auf maximal acht Jahre begrenzen.

Derweil forderte das heftige Bombardement in Homs auch am Dienstag wieder Dutzende Menschenleben. Tags zuvor waren mehr als 70 Menschen im Granatenhagel gestorben, am Wochenende über 260. Augenzeugen berichteten, niemand traue sich mehr auf die Straße, überall lauerten Scharfschützen. „Der Beschuss geht rund um die Uhr, alle paar Minuten gibt es eine Explosion“, berichteten Bewohner gegenüber Al Dschasira. „Es ist unfassbar – es gibt keine Bunker, nirgends kann man Deckung suchen.“ Ein im Internet veröffentlichtes Video aus einem provisorischen Verbandsraum zeigt Tote und Verletzte mit schrecklichen Wunden. Auf anderen Bildern sind blutverschmierte Bürgersteige, brennende Häuser und Rauchwolken von Granateneinschlägen zu sehen. Strom, Wasser und Telefone sind unterbrochen, es gibt kaum noch etwas zu essen. „Wir wissen nicht mehr ein noch aus, wir warten nur noch darauf zu sterben“, klagte einer der Bewohner.

Nach den USA und Großbritannien gaben am Dienstag auch Belgien, Italien und Frankreich bekannt, ihre Botschafter zu Konsultationen aus Damaskus abzuziehen. Die Golfstaaten beschlossen, alle syrischen Botschafter auszuweisen und ihre diplomatischen Vertretungen in Syrien zu schließen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will Assad mit einer neuen Initiative schwächen. Sein Land werde mit jenen Staaten zusammenarbeiten, „die auf der Seite des Volkes stehen, nicht auf der Seite der Regierung in Syrien“, sagte Erdogan am Dienstag in Ankara. Nach Angaben aus Regierungskreisen ist trotz des Streits mit Frankreich in der Armenier-Frage auch die von Paris angeregte Bildung einer Kontaktgruppe nach dem Vorbild des Libyen-Konflikts möglich.

In einer Rede vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP ging Erdogan nicht auf die Pläne von Frankreich und Deutschland zur Bildung einer Syrien-Kontaktgruppe ein. Ein türkischer Diplomat sagte aber, Ankara unterstütze alle konstruktiven Ideen, um das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu will bei einem an diesem Mittwoch beginnenden Besuch in den USA mit seiner Amtskollegin Hillary Clinton und anderen amerikanischen Regierungspolitikern über die Lage in Syrien reden.

Als direkter Nachbar Syriens fällt dem Nato-Staat Türkei bei allen Überlegungen für humanitäre Aktionen in Syrien, Plänen zur Bildung von „Sicherheitszonen“ auf syrischem Boden oder gar für eine Militärintervention eine Schlüsselrolle zu. Frankreich hatte bereits im vergangenen Jahr die Einrichtung von Korridoren für die humanitäre Hilfe in Syrien vorgeschlagen. Die syrische Exil-Opposition fordert von der Türkei zudem die Schaffung von militärischen Schutzzonen auf syrischem Territorium, in denen sich Opfer des Regimes in Sicherheit bringen könnten.

Erdogan kritisierte in seiner Rede Moskau und Peking, die im UN-Sicherheitsrat eine neue Syrien-Resolution verhindert hatten. Die Vorgänge bei den UN seien „aus Sicht der zivilisierten Welt ein Fiasko“ gewesen.

China kündigte am Dienstag indes eine eigene diplomatische Initiative an. China wolle eine „konstruktive Rolle bei der Förderung einer politischen Lösung“ spielen, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Liu Weimin. Offenbar plant die Regierung in Peking eine Vermittlermission. Ziel sei es, dass alle Konfliktparteien „in Syrien die Gewalt einstellen und ihre Probleme mithilfe eines Dialogs lösen“. Das KPC-Organ „Volkszeitung“ schrieb, bei einer Annahme der UN-Resolution wäre „Syrien binnen zwei Monaten zu einem zweiten Libyen“ geworden.

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