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Politik: Mit Macht

Berlusconi will aus Italien eine Präsidialrepublik machen – und sieht sich selbst schon im Amt des Staatschefs

Für Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gibt es derzeit kein wichtigeres Thema mehr als eine Verfassungsreform. Ziel dieser Reform soll die Einführung einer Präsidialrepublik sein. Wie in den USA, sagt Berlusconi. Er meint jedoch etwas anderes. Nach Berlusconis Vorstellungen sollen das Amt des Regierungschefs und des Staatspräsidenten zusammenfallen. Er soll künftig vom Volk gewählt werden. Anders als in den USA aber soll dieser neue Präsident weder durch ein Parlament noch durch einen Senat kontrolliert werden. Der Medienzar bringt es klar zum Ausdruck: „Italiens Präsident muss unbeschränkte Macht haben.“ Zugleich machte Berlusconi klar, dass er selbst das Präsidentenamt anstrebt.

Gleichzeitig mit dieser Verfassungsreform soll der Senat aufgelöst werden. Berlusconi schwebt eine Versammlung der Regionen vor. Eine Idee, die vom Chef der Lega Nord, Umberto Bossi, begrüßt wird. In dieser Versammlung sitzen die Repräsentanten der einzelnen italienischen Regionen und diskutieren regionalpolitische Fragen.

Berlusconis Projekt einer Verfassungsreform ruft viel Kritik hervor – sogar in den eigenen Reihen. Auch wenn sein wichtigster Koalitionspartner Gianfranco Fini, Sekretär der rechten Partei Nationale Allianz, der Idee einer verstärkten Föderalisierung Italiens zustimmt, so steht er der Figur eines vom Volke gewählten Präsidenten kritisch gegenüber. Politiker der linken Opposition sprechen sich entschieden dagegen aus. Sie erinnern an jenes Präsidialprojekt, das in den 80er Jahren die umstürzlerische rechte Geheimloge „Propaganda 2“ entwickelt hatte. Der Geheimloge gehörte damals auch Berlusconi an. Dieses Projekt sah einen starken Präsidenten vor, vom Volk gewählt, der über eine so gut wie unbeschränkte Machtfülle verfügen sollte. Ein Projekt, dass nach der Aufdeckung der „Propaganda 2“ großes Aufsehen erregte und von dem sich damals alle Parteien distanzierten.

Geht es nach Ministerpräsident Berlusconi, dann soll eine Volksbefragung sein Projekt einer Verfassungsreform so schnell wie möglich realisieren. Schon ist die Rede von einem vom Volk gewählten Präsidenten in wenigen Jahren. Zugleich versucht Berlusconi, den amtierenden Staatspräsidenten zu beruhigen. Carlo Azeglio Ciampi soll seine Amtszeit erst hinter sich bringen. Erst dann würden Wahlen für einen Nachfolger ausgeschrieben. Indiskretionen aus dem Präsidentenpalast zufolge würde Ciampi nach einem positiven Ausgang einer Volksbefragung sofort sein Amt niederlegen. „Und genau das“, vermutet Oppositionsführer Francesco Rutelli, „beabsichtigt Berlusconi, um so schnell wie möglich neuer Staatspräsident werden zu können”. Der Ministerpräsident wolle die ganze Republik „umkrempeln“, kritisiert Rutelli. „Das können wir nicht zulassen!“

Auch Camillo Ruini, Sekretär der italienischen Bischofskonferenz, brachte seine Sorge in der katholischen Tageszeitung „L’Avvenire“ zum Ausdruck. Ruini zufolge „ist es um die Demokratie in Italien schlecht bestellt“. Kommunistenchef Fausto Bertinotti drückt es weniger sanft aus. „Berlusconi schafft sich eine Republik nach ganz persönlichen Vorstellungen.“ Und Eugenio Scalfari, Gründer der Tageszeitung “La Repubblica”, meinte Berlusconi habe nun „die Katze aus dem Sack gelassen”.

Thomas Migge[Rom]

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