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Politik: Mit mehr Polizei gegen die Camorra

Italiens Innenminister verstärkt Kampf gegen Neapels lokale Mafia – aber die Justiz ist völlig überlastet

Das Heer bleibt vorerst in der Kaserne. Dafür sollen 1000 zusätzliche Polizisten die Ordnung in Neapel garantieren und die Camorra, die lokale Mafia, bekämpfen. So sieht es der Plan des italienischen Innenministers Giuliano Amato vor. Presseberichten zufolge wurden in Neapel und Umgebung seit dem 22. Oktober zwölf Menschen ermordet. Seit Jahresbeginn waren es mehr als 50 Opfer.

Neapels Polizisten sollen nach Amatos Plan raus aus ihren Büros und dafür durch die Straßen patrouillieren. Verstärkung bekommen sie aus allen Landesteilen; im 180 Kilometer entfernten Rom wird sogar eine „Schnelle Eingreiftruppe“ installiert. Videokameras, rund um die Uhr in Betrieb, sollen die Straßen und Ecken Neapels überwachen. Verstärkt wird auch die elektronische Kontrolle der Provinz sowie der Ein- und Ausfallstraßen. Spezialeinheiten sollen die Drogen-Umschlagplätze belagern; 150 Polizisten und Carabinieri werden in der Innenstadt zum besonderen Schutz der „Touristenwege“ aufgeboten. Es soll, sagt Innenminister Amato, „keine freien Zonen“ für die Camorra mehr geben, „keine Heiligtümer“, in denen die organisierte Kriminalität schalten und walten darf, wie sie will.

„Neapel ist nicht der Wilde Westen, und war es auch bisher nicht“, fügt Amato hinzu und verweist darauf, dass in diesem Jahr bereits 5000 Kriminelle in der Stadt auf frischer Tat verhaftet worden seien. Aber genau hier liegt das Problem. Der Innenminister selbst gibt es zu, und das kritisieren auch Staatsanwälte und Polizeigewerkschaften: Die Verhafteten in Neapel kommen zum großen Teil ziemlich schnell und ohne Strafe wieder frei. Deshalb hat Paolo Mancuso, leitender Staatsanwalt in Neapel, schon jetzt Angst vor einer Verstärkung der Polizei: „Wenn die jetzt noch mehr Leute verhaftet als bisher, bricht die Justiz zusammen.“

Die italienischen Anklage- und Gerichtsbehörden sind ausgehungert. Es fehlt nicht nur an Personal, sondern bereits an Schreib- und Büromaterial. Fotokopien können nicht bezahlt werden. Und Tankstellen weigern sich, die Benzinrechnungen für die Dienstautos weiter anzuschreiben – gerade die Anti-Camorra- Ermittler in Neapel stehen bei den Lieferanten mit 51 000 Euro in der Kreide.

Die Mittelknappheit hat zur Folge, dass viele Untersuchungs- oder Strafverfahren nicht bearbeitet werden können. Bescheide bleiben liegen, Fristen verstreichen, Verdächtige müssen allein „wegen Zeitablaufs“ freigelassen werden. Der vom Parlament im Juli beschlossene Straferlass von drei Jahren hat ferner dazu geführt, dass zahlreiche der ohnehin wenigen Verurteilten vorzeitig freikamen. Zudem wurden Prozesse, die ein Strafmaß von weniger als drei Jahren erwarten lassen, schon gar nicht mehr begonnen.

Die „Ungewissheit einer Bestrafung“ sieht selbst Innenminister Amato als eines der gravierenden Probleme bei der Bekämpfung der Kriminalität an. „Gegen einige ihrer Gründe muss man sofort einschreiten“, sagte er in Neapel – aber die Staatsanwälte kritisieren, dass gerade diese Ursachen in seinem Aktionsplan gegen die örtliche Mafia nicht vorgesehen sind: „Wenn die Justiz nicht funktioniert, ist es sinnlos, die Sicherheit verstärken zu wollen“, sagt der Anti-Camorra-Staatsanwalt Franco Roberti. Polizeigewerkschafter nennen den Plan des Innenministers bereits „Demagogie reinsten Wassers“.

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