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Politik: Mit Panzern und Depeschen

Die Türkei setzt auf militärischen und diplomatischen Druck

Eigenartige Beziehungen pflegt die Türkei in diesen Tagen zum Nachbarland Irak. Ankara und Bagdad tauschen neue Botschafter aus, der türkische Handelsminister fährt zu Wirtschaftsgesprächen in die irakische Hauptstadt, und der türkische Ministerpräsident reist in der Region herum, um einen Krieg gegen den Irak abzuwenden. Gleichzeitig rollen türkische Panzer über die irakische Grenze, die Armee gräbt sich auf irakischem Gebiet ein. Der scheinbar schizophrene Umgang mit dem heiklen Nachbarn reflektiert die türkische Strategie angesichts der Irak-Krise: Wenn irgend möglich, will Ankara den Status quo in der Region erhalten. Wenn der Krieg aber nicht zu verhindern ist, dann wird die Türkei ihre Interessen in der Region verteidigen – notfalls militärisch.

Der türkische Handelsminister Kürsat Tüzmen konnte sich vor Anfragen aus der Wirtschaft kaum retten, als er seine Reise nach Bagdad ankündigte. Ein zweites Flugzeug musste angemietet werden, damit alle interessierten Geschäftsleute an diesem Freitag mit in den Irak fliegen können. Trotz aller Sanktionen ist das Nachbarland für die Türkei weiter ein lukrativer Handelspartner, den sie möglichst behalten will. Ein Krieg gegen den Irak würde die türkische Wirtschaft bis zu 70 Milliarden Euro kosten, rechnet die Handelskammer vor. „Der Zug zum Frieden ist noch nicht abgefahren", will Tüzmen die irakische Führung beschwören. „Ihr könnt noch auf den letzten Wagen aufspringen.“

Auch diplomatisch behält die Türkei einen Fuß in der Türe und akkreditierte nach längerer Pause wieder einen Botschafter aus Bagdad. Ministerpräsident Abdullah Gül reist zudem in die Hauptstädte der Irak-Anrainer, um eine regionale Front für den Frieden aufzubauen. Plan B verliert Ankara aber nicht aus den Augen. So verhandelt die Türkei auch während Tüzmens Bagdad-Reise weiter mit den USA über wirtschaftliche Entschädigungen für einen Irak-Krieg. Und Güls diplomatische Tournee soll nicht zuletzt den politischen Schaden in der arabischen Welt begrenzen, falls türkische Truppen doch gegen ihren Bruderstaat kämpfen.

Sollte es Krieg geben, wird die Türkei ihre Interessen sichern, das heißt: Eine Flüchtlingswelle blocken, einen Kurdenstaat verhindern und möglicherweise die Erdölregionen Mosul und Kirkuk besetzen, um sie dem Zugriff der Kurden zu entziehen. Doch lieber wäre es den Türken, wenn sie ihre Ölpipeline aus dem Irak wieder in Betrieb nehmen könnten, deren Hahn seit dem letzten Golfkrieg abgedreht ist.

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