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Politik: Mit Skoda nach Europa

Tschechien ist für viele Firmen schon lange ein Anziehungspunkt – davon profitiert das Land heute

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass sich Tschechien und die Slowakei voneinander gelöst haben, angespornt von ihren damaligen nationalistisch geprägten Premierministern. Und es ist keine Frage, wem die Teilung besser getan hat: Mit einem Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent im Jahr 2003, einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von immerhin 7416 Euro und einer Inflationsrate von 0,1 Prozent sind die rund 10 Millionen Tschechen zumindest wirtschaftlich gesehen unter den Beitrittsländern eine Macht.

Das liegt vielleicht auch daran, dass die Tschechen früh erkannt haben, dass die wirtschaftliche Zukunft in Europa liegt. Vor allem der Ex-Staatschef Vaclav Havel, der Dichterpräsident, sorgte für eine Öffnung seines Landes, und so wurde Prag rasch zum magischen Anziehungspunkt.

Pflichtprogramm für Touristen

Schon klar, kurz vor der EU-Erweiterung werben die meisten osteuropäischen Staaten damit, dass ihre Hauptstädte bereits europäische Metropolen sind. Die Tschechen müssen das nicht einmal mehr in ihre Werbeprospekte schreiben, so selbstverständlich ist das in Prag. Die Stadt strahlte schon zu einem Zeitpunkt weltstädtisches Flair aus, als die Stadtarchivare von Warschau oder Bratislava noch nach historisch verwertbaren Bausubstanzen suchen mussten.

Die Ersten, die das erkannten, waren die, vor allem amerikanischen Rucksack-Touristen, die bereits Anfang der 90er an die Moldau pilgerten. Wenzelsplatz, Karlsbrücke und der Hradschin gehören für sie seit damals genauso zum Pflichtprogramm ihrer „Go to Europe“-Trips wie die Tower Bridge und Notre Dame. Für die Tschechen mag das ein bisschen nervig sein, wenn in es in den mittlerweile doch recht vielen guten Lokalen in Prag keinen Platz mehr gibt, weil überall sperrige Rucksäcke und/oder Busladungen deutscher Touristen herumlungern, die zwischendurch auch ein bisschen Kultur pauken wollen. Doch andererseits hat dieses kulturelle Umfeld wahrscheinlich auch genau jenen Aufschwung ausgelöst, von dem alle Tschechen jetzt profitieren.

Denn ihre Hauptstadt wurde schon früh auch für Unternehmen, die nach Osteuropa wollten, zum Magneten. Entweder siedelten sie dort ihre Mittel- und Osteuropa-Zentralen an oder sie kauften sich in die traditionelle tschechische Industrie ein. Heute ist der Volkswagen-Konzern als Eigentümer der Autoschmiede Skoda der größte private Arbeitgeber im Land. Und niemand kann es den Global Playern verdenken, dass sie ihre Headquarters nach Tschechien verlegten und nicht nach, sagen wir mal, Pressburg.

Anders als in den meisten anderen osteuropäischen Reformstaaten haben es die Tschechen auch geschafft, den Aufschwung besser übers ganze Land zu verteilen. Natürlich hat hier Prag mit einer Arbeitslosigkeit von rund zwei Prozent, einem Durchschnittseinkommen nur knapp unter dem österreichischen und einem Mietpreis von weit darüber klar die Nase vorne. Doch auch mit einer Gesamtarbeitslosigkeit von rund 7,8 Prozent ist Tschechien schon ziemlich europäisch, und es sind nur wenige Gegenden wie etwa die osttschechische Region rund um Ostrava, in der jeder Vierte keinen Job hat. Das liegt nicht nur an einer einigermaßen klugen Förderpolitik der tschechischen Regierung, sondern auch daran, dass die Industrieproduktion auch schon zu Zeiten des Kommunismus übers ganze Land verteilt war und schon damals in Sparten gearbeitet wurde, deren Produkte heute noch verkäuflich sind – wie etwa die Automobilindustrie. Klassische Schwerindustrie wie etwa in Polen gab es in Tschechien nicht – diese Sparte siedelte das alte Regime lieber in der Slowakei an. Und die typischen Probleme einer sterbenden Industrie beschäftigen die Tschechen heute längst nicht so stark wie ihre Landsleute von einst.

Die Tschechen bleiben

Wenn Tschechien nun am 1. Mai der Europäischen Union beitritt, dann wird es den europäischen Markt neben den Skodas vor allem mit Bier überschwemmen. Mit einem jedenfalls sicherlich nicht: mit Gastarbeitern. Denn das fällt bisher schon auf: Im Gegensatz zu polnischen Putzfrauen, slowakischen Krankenpflegerinnen oder ungarischen Bauarbeitern haben sich die Tschechen, auch aus Gründen des Stolzes, nie für die europäischen Niedriglohn-Jobs interessiert. Und wenn einmal ein Tscheche ins Ausland geht, dann nicht als Lohnsklave, sondern als Superstar seiner Branche. Beispiele dafür findet man in jedem deutschen Bundesligastadion - vor allem in Dortmund. Oder in jedem amerikanischen Eishockeystadion – wie etwa bei den New York Rangers.

Markus Huber

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