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Wohin steuert Dobrindt? In Brüssel heißt es, der Verkehrsminister glaube selbst nicht mehr an die Maut.

© picture alliance / dpa

Alexander Dobrindt und die PKW-Maut: Mit Vollgas gegen die Wand

Die EU-Kommission will Minister Dobrindt wegen der Pkw-Maut abmahnen. Ob ihn das stört? Im Gegenteil.

Am Donnerstag beginnt der nächste Akt im Schauspiel um die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland. Dann wird die EU-Kommission bekannt geben, dass sie die zweite Stufe im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zündet. Etwas später wird sie das sogenannte begründete Mahnschreiben in der Sache an das Bundesverkehrsministerium schicken. Wesentlicher Inhalt: Die EU-Kommission erklärt, warum sie die Maut für einen schweren Verstoß gegen EU-Recht hält.

Man könnte meinen, das Ganze sei eine trockene juristische Angelegenheit. Doch der Streit hat durchaus Unterhaltungswert. Und in Brüssel fragt man sich inzwischen, warum Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) so wenig unternimmt, um die Auseinandersetzung zu entschärfen.

Argumente gegen die Mautpläne von Dobrindt gibt es viele. Etwa den bürokratischen Aufwand. Erst soll jeder inländische Autofahrer die Maut bezahlen, um sie dann über die Kraftfahrzeugsteuer wieder zurückzubekommen. Rechte Tasche, linke Tasche, und der ganze Aufwand für absehbar gar nicht so viel Geld? Im Streit zwischen Brüssel und Berlin geht es aber darum nicht. Die EU-Kommission wirft Dobrindt nur eines vor: dass seine Maut eine Benachteiligung für ausländische Autofahrer wäre. Damit verstoße er gegen EU-Recht. In einem Binnenmarkt dürften andere EU-Bürger nicht diskriminiert werden.

Eigentlich wollte Dobrindt seine Maut Anfang dieses Jahres starten lassen. Doch wegen des Vorstoßes aus Brüssel hat er sie erst einmal auf Eis gelegt. Damit aber nicht genug. Dobrindt beschimpft immer wieder die EU in der Sache. Er wirft der Kommission vor, Deutschland-Diskriminierung zu betreiben. „Brüssel misst mit zweierlei Maß und benachteiligt Deutschland“, sagte er unlängst. Bei anderen Mitgliedsländern sei die EU-Kommission nicht so streng. Und in Sachen Maut wird, so Dobrindt wörtlich, „jede hinkende EU-Verdrehung gebraucht, um dagegen zu meckern“.

Die Europa-Schelte findet EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gar nicht lustig. Als Dobrindt Anfang April in Brüssel war, hat der Luxemburger den Deutschen dem Vernehmen nach ziemlich abblitzen lassen. Und den Vorwurf der Hinhaltetaktik werten sie in der Kommission als Unverschämtheit. Die Kommission ist „seit November 2014 in der Sache in Kontakt mit den deutschen Behörden“, sagte eine Sprecherin von Juncker. Man habe zudem „wiederholt“ Ratschläge gegeben, wie Dobrindt die Maut „in Einklang mit EU-Recht bringen kann“. Schon im November 2014 seien die Kritik sowie Vorschläge zur europakonformen Ausgestaltung in einem vierseitigen Schreiben nach Berlin gegangen. Darin heißt es etwa: Durch Dobrindts Pläne würden „nichtansässige Benutzer systematisch schlechter gestellt“. Dies sei mit „Grundfreiheiten unvereinbar“. Die Kommission schlägt etwa vor, schlicht auf die Verrechnung der Mautgebühr mit der Kfz-Steuer zu verzichten. Klar müsse aber sein: Es darf nicht zu einer „Verschlechterung der Position ausländischer Verkehrsteilnehmer“ kommen.

Er könnte den Schwarzen Peter Brüssel zuschieben

In EU-Kreisen wird zudem darauf hingewiesen, dass die Kommission in der Vergangenheit die Mautpläne in mehreren anderen Mitgliedsländern kritisiert und auch erste Schritte für Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Dies sei beispielsweise bei Österreich, Slowenien und Italien so gewesen. In den Verhandlungen zwischen EU-Kommission und den jeweiligen Regierungen hätte man dann aber stets Wege gefunden, die Maut mit dem Europarecht in Einklang zu bringen. Grundsätzlich gelinge es in 85 Prozent aller drohenden Vertragsverletzungsverfahren, den Streit gütlich beizulegen.

Im Fall von Dobrindts Ausländermaut liegen die Dinge anders, es hat den Anschein, als wolle er nicht verhandeln, sondern darauf setzen, den Streit vor Gericht auszufechten. Wenn in den nächsten Tagen das Mahnschreiben aus Brüssel mit der Begründung der Kritik in Berlin eingeht, hat Deutschland eigentlich zwei Monate Zeit für eine Antwort. Falls der deutsche Minister nicht antwortet oder keine neuen rechtlichen Argumente vorträgt, kommt die dritte Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens. Das heißt: Die EU-Kommission reicht Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Dobrindt hat erklärt, dass er alles gern etwas schneller hätte. In Brüssel ist zu hören, dass man ihm entgegenkommen werde. Die Klage könne früher eingereicht werden.

Warum gibt Dobrindt so stur den Prozesshansel? Warum schlägt er jeden Vorschlag der Kommission für einen Dialog in der Sache aus? In Brüssel wird darüber spekuliert, dass es dafür wohl zwei Gründe gibt. Zum einen wird darauf verwiesen, dass Zeit eine Rolle spielt. Ein Urteil vom EuGH bekommt man nicht so schnell. Im Schnitt vergehen zwei Jahre, bis die Richter eine Entscheidung fällen. Dass hieße: 2018. Die nächste Bundestagswahl ist aber schon im Herbst 2017, und es ist unklar, ob Dobrindt dann noch Verkehrsminister ist. Selbst wenn die CSU Teil einer Koalition bleibt: Wer weiß, vielleicht besteht ja der Koalitionspartner darauf, dass die Maut beerdigt wird. Damit zusammen hängt ein zweites mögliches Motiv des Ministers: Vielleicht hat er längst die Lust an der unausgegorenen Maut verloren. Den schwarzen Peter könnte er dann an Brüssel geben. Und bis dahin noch ein bisschen gegen „die da“ in Europa schimpfen.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 26. April 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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