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Politik: Mitbewerber Hatch sagt über George W. Bush, was Amerika denkt, aber kein Republikaner bislang auszusprechen wagte

Ist George W. Bush ein Dünnbrettbohrer?

Ist George W. Bush ein Dünnbrettbohrer? Seit einem halben Jahr hängt dieser Verdacht über dem führenden unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Am Montag kam die Stunde der Wahrheit im US-Bundesstaat Arizona. Sie kam in zwei Fassungen. Erstens: Der texanische Gouverneur wurde gefragt, wie er dem in den USA rapide steigenden Ölpreis entgegnen würde. "Ich würde weiter unserem Plan folgen, Ölbohrer zu ermutigen, weiter zu bohren", sagte der Spitzenreiter, der auch gegenüber beiden möglichen demokratischen Gegnern - Vizepräsident Al Gore und Ex-Senator Bill Bradley - führt.

Zweitens: Bush selbst bittet den abgeschlagenen Mitbewerber Orrin Hatch, hauptberuflich Senator aus Utah, um Lob für seine Umarmungspolitik gegenüber Minderheiten und beginnt die Frage sogar auf Spanisch. Der Mormone aus Salt Lake City preist Bushs Werben um Amerikas Hispanics und lobt: "Dies ist ohne Zweifel eine Ihrer Stärken." Und dann spricht er aus, was eine ganze Nation sich fragt: "Mein Problem ist etwas ganz anderes. Offen gesagt, Gouverneur: Sie sind gerade mal im fünften Jahr als Gouverneur eines Bundesstaates mit schwacher Zentralregierung. Sie brauchen mehr Erfahrung, um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden! Deshalb glaube ich, Sie sollten Vizepräsident sein."

Es war das erste Mal, dass ein Mitbewerber den Verdacht ausgesprochen hat, der seit Monaten Amerikas Politik-Debatten dominiert. In der Publizistik nimmt er hohntriefende Formen an. "Warum will Amerika den Deppen als Präsidenten?", steht auf dem Titel des Magazins "New Republic" über einem Bush-Foto. In der Debatte klang es kaum besser. "Denken Sie doch mal nach", führte Senator Hatch aus. "Ronald Reagan kürte Ihren Vater zum Vizepräsidenten, weil er außenpolitische Erfahrung hatte. Nun schlagen Parteifreunde mir vor, ich solle Ihr Vizepräsident werden. Die verstehen es völlig falsch. Sie sollten mein Vizepräsident werden, und - Junge! - nach acht Jahren würden Sie einen tollen Präsidenten abgeben!"

Im normalerweise zumindest vor Fernsehkameras stets freundschaftlichen Umgangston der diversen innerparteilichen Konkurrenten untereinander ist eine solche Breitseite beinahe ein Todesstoss. Sollte Bush nominiert werden, wird der demokratische Gegner, egal ob Gore oder Bradley, das Hatch-Zitat ständig über die Bildschirme flimmern lassen. Eine führende Stimme aus den eigenen Reihen verdammt Bush als Leichtgewicht - das war, was von dieser Montagsrunde bleiben wird. Falls jemand davon profitiert, ist es indes nicht Hatch, der nur in Utah mehr als ein Prozent der Stimmen zu bekommen scheint. Die Frage ist, ob John McCain in die Bresche springt, die Hatch geschlagen hat.

McCain, der Senator aus dem veranstaltenden Bundesstaat, wurde zum Profiteur der Verkalauerisierung des innerparteilichen Hauens und Stechens. Erstmals in der beginnenden Wahlsaison durften die Kandidaten einander befragen, allerdings nach streng festgezurrten Regeln. Als Bush den 500 Millionen Dollar reichen Verleger Steve Forbes in die Zange nehmen wollte, entgegnete der schlicht: "Call me Steve." "Egal", murmelte Bush sichtlich genervt und zitierte weiter den vorbereiteten Text seiner Frage. McCain spielte mit, als Bush ihn nach Steuervergünstigungen für religiöse Hilfsorganisationen fragte und McCain noch in die Frage hinein antwortete: "John." Bush rezitierte eifrig weiter, und McCain begann seine Antwort mit der Anrede: "Gern sage ich dazu etwas, Gouverneur - oder: George - oder: Dabbelju - oder: Bush." Der Saal brüllte, die Zuschauer der CNN-Übertragung wieherten mit. Bush sagte weiter auf, was auswendig zu lernen ihn seine Berater genötigt hatten.

Wenn das Wahljahr 2000 zum Jahr des Lechzens nach Authentizität wird, hat Bush zunehmend schlechte Karten. Er wirkt schon so schablonenhaft wie Mike Dukakis, der demokratische Kandidat von 1988. Dukakis war jede Farbe ausgetrieben worden, indem ihm die Angst vor dem Fehlgriff eingebleut worden war. Bush zeigte an diesem Montag in Arizona, wie sehr er schon zum Opfer der Angst geworden ist. Er spulte nur ab, was seine Redenschreiber an konsensfähigen Wendungen ausgetüftelt hatten.

Die drei Gewinner der zweiten Republikaner-Debatte waren die Aussichtslosen: Hatch, Gary Bauer und Alan Keyes. Sie wirkten erfrischend und Bauer sogar präsidial, während die Führenden auf Vorsicht bedacht waren.

Dass bei alledem der Unterhaltungswert der Debatten steigt, beweist, dass der Vorwahlkampf in der heißen Phase ist. Noch sechs Wochen haben die Anwärter auf die Nominierung als republikanischer Präsidentschaftskandidat Zeit, dann beginnt der Reigen der "primaries". Schon im März dürfte alles vorbei sein. So flogen denn am Montagabend in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona die Fetzen. Egal, ob es um Steuer- oder Bildungspolitik oder um Amerikas Rolle in der Welt ging, wobei Bush die Aufnahme Chinas in die WTO verteidigte und McCain Lehren aus jener Acheson-Biografie zog, die Bush zu lesen vorgab - der Texaner wirkte deplatziert.

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