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Politik: Mögen Sie die Deutschen, Herr Flaquer?

Der Tourismusminister der Balearen über gutes und schlechtes Benehmen, die Öko-Steuer – und warum er sich am Ballermann-Strand fehl am Platz fühlt

Hat der zurückgetretene TourismusStaatssekretär Stefano Stefani nicht doch ein bisschen Recht? Benehmen sich die Deutschen im Ausland schlecht?

(grinst) Nein. Man sollte nicht generalisieren. In jedem Land gibt es Menschen, die sich besser benehmen als andere. Die haben wir auch in Spanien. Aber auf den Balearen sind deutsche Gäste herzlich willkommen. Zumal die Deutschen Mallorca viele Jahre lang als ihr Lieblingsziel betrachtet haben. Wir wollen, dass das auch so bleibt. Dass sich Leute manchmal daneben benehmen, das findet man in allen Nationalitäten. Freundliche und unfreundliche Menschen gibt es überall.

Und es gibt die Touristen am Ballermann- Strand. Der ist ja zum berühmt-berüchtigten Symbol der Insel geworden.

Diese Art von Tourismus existiert. Auch diese Gäste, die jungen Gäste wollen wir. Die fühlen sich dort wohl und haben Spaß. Wir müssen aber darauf achten, dass das nicht zu viel wird. Wir wollen erreichen, dass es dort sauber ist. Wir bemühen uns, dass es nicht zu laut wird. Wir wollen nicht, dass die ganze Nacht über dort gelärmt und laute Musik gehört wird. Darauf müssen wir schon achten. Aber für uns ist klar: Diese Art von Gästen in der Bucht Playa de Palma am Balnerio 6, also am Ballermann, wie Sie sagen, ist uns auch willkommen.

Sie sind Mallorquiner. Waren Sie schon mal am Ballermann?

Nein, da gehe ich nicht hin. Ich kann nicht mal Deutsch. Ich würde mich dort fehl am Platze fühlen. Aber ich weiß, dass es Gäste gibt, die sich dort wohlfühlen.

Die vorherige Regierung wollte den Billigtourismus, und um den geht es ja am Ballermann, eindämmen. Wollen Sie dagegen mehr von diesen Gästen?

Natürlich hätten wir nichts dagegen, wenn die elf Millionen Gäste, die die Balearen besuchen, die elf Millionen reichsten Europäer wären. Wenn sie sich jederzeit perfekt verhalten und womöglich auch noch mit Schlips herumlaufen würden. Wir haben elf Millionen Urlauber auf den drei balearischen Inseln Ibiza, Menorca und Mallorca. Sie kommen aus jeder Altersgruppe. Wir haben viele Pauschalurlauber. Auch wenn sie, speziell die Jüngeren, ihre Urlaubszeit etwas fröhlicher und lauter verbringen. Wir müssen eben darauf achten, dass daraus keine Probleme mit anderen Urlaubern und mit den Einwohnern der Inseln entstehen.

Interessieren sich die deutschen Massentouristen überhaupt für Ihre Inseln?

Ich glaube schon. Nicht umsonst gehören die Balearen zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen. Natürlich gibt es viele Touristen, die nur Strand und Sonne wollen. Aber es gibt immer mehr deutsche Gäste, die auch etwas anderes auf den Balearen suchen. Menschen, die Sport treiben wollen, die das Inselinnere entdecken wollen, die in schönen Fincas übernachten wollen. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren.

Deutsche Touristen legen großen Wert auf Umweltschutz an ihrem Urlaubsort. So gesehen war die Öko-Steuer auf Mallorca doch eine richtige Entscheidung. Warum wollen Sie die nun wieder abschaffen?

Wir glauben, dass die Öko-Steuer mit der Umwelt nichts zu tun hat. Wir haben auch in der Vergangenheit viel in die Umwelt investiert – ohne Öko-Steuer. Wir sind überzeugt, dass die Steuer der Nachfrage geschadet hat. Denn wir sind im Vergleich zu anderen Urlaubsgebieten dadurch etwas teurer geworden. Deshalb haben wir uns entschieden, die Öko-Steuer abzuschaffen. Wir werden uns trotzdem weiter für die Umwelt einsetzen.

Durch die Öko-Steuer sind bis jetzt 30 Millionen Euro eingenommen worden. Die alte Regierung hatte einiges damit vor. Bauruinen sollten beseitigt und Parks angelegt werden. 100 Kilometer Radwegenetz sollte gebaut werden. Gute Pläne. Was wird jetzt daraus?

Diese Projekte wollen wir fortsetzen. Klar hat die Öko-Steuer den Balearen höhere Einnahmen gebracht. Aber gleichzeitig ist dadurch die Wirtschaft auch gebremst worden. In den vergangenen zwei Jahren war die Wirtschaftsentwicklung rückläufig.

Aber die Wirtschaftskrise hat doch ganz Europa erfasst.

Das stimmt schon. Die Rezession war überall. Aber die Wirtschaft der Balearen hat stärker gelitten. Vor vier Jahren waren die Balearen das spanische Autonomiegebiet mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt. Wir lagen sogar über dem EU-Durchschnitt. Nach diesen vier Jahren einer sozialistisch geführten Regierung, die mit Grünen und Nationalisten koaliert hatte, liegen wir beim Bruttoinlandsprodukt Spaniens im Mittelfeld und nicht mehr über dem EU-Durchschnitt. Daran war nicht nur die Öko-Steuer schuld, aber auch. Übrigens hat die Diskussion über die Steuer mehr geschadet als die Steuer selbst. Das ist sehr schlecht erklärt worden. Nach außen, aber auch auf den Balearen selbst. Es hat heftige Diskussionen zwischen der Tourismusindustrie und der Regierung gegeben. Das war auch nicht gut für die Inseln.

Was wird nun aus den Umweltprojekten?

Wir hängen zu 85 Prozent vom Tourismus ab auf den Balearen. Wenn es uns gelingt, die Wirtschaft hier wieder anzukurbeln, dann arbeiten die Leute nicht mehr vier oder fünf Monate in den Hotels, sondern wieder sieben oder acht Monate. Und dann ist auch wieder mehr Geld für die Umwelt da.

1999 hatten Sie das Boomjahr mit 10,5 Millionen Touristen allein auf Mallorca. Diese Zahl streben Sie wieder an. Masse statt Klasse, ist das Ihr Ziel?

Die knapp elf Millionen Gäste verteilten sich damals besser über das Jahr. Die Saison war mehr als acht Monate lang. Die meisten Hotels haben Ende Februar oder Anfang März schon aufgemacht und waren zum Teil sogar bis Mitte November offen. Unser Ziel ist es, genau diese Gäste in den Randzeiten der Saison wieder zu gewinnen. In den vergangenen Jahren gab es weniger Gäste. Aber nur in fünf Monaten. In den Haupturlaubsmonaten Juli und August war es auch in den vergangenen Jahren immer voll. Wenn Sie diese elf Millionen Touristen auf sieben oder acht Monate verteilen, treten sie sich auch nicht gegenseitig auf die Füße. In der Nebensaison wollen wir wachsen. Wo wir nicht wachsen wollen und können, ist in der Hauptsaison.

Sie wollen eine freiwillige Umweltstiftung gründen, als Ersatz für die Öko-Steuer. Sämtliche internationalen Finanzierungsfonds haben bisher gezeigt, dass das Prinzip Freiwilligkeit praktisch nie funktioniert. Selbst zugesagte Beiträge werden meistens nicht bezahlt. Wer soll in Ihre Umweltstiftung einzahlen?

Bitte, geben Sie uns etwas Zeit. Ich bin jetzt 14 Tage im Amt. Natürlich wird es ein bisschen dauern, bis die Stiftung funktioniert. Wir bauen auch nicht nur auf privates Engagement. Das meiste werden zunächst die Regierungen einbezahlen, die Zentralregierung in Spanien, die Regionalregierung der Balearen, und wir hoffen, auch die Europäische Union. Aber wir sind davon überzeugt, dass sich auch die Wirtschaft an der Stiftung beteiligen wird. Ende der achtziger Jahre haben wir die Verbesserung der touristischen Infrastruktur auch schon mit Hilfe privater Unternehmer finanziert. Damals hat der Staat 60 Prozent, die örtlichen Unternehmer haben 40 Prozent bezahlt, beispielsweise für den Bau von Strandpromenaden oder den Ausbau von Restaurants oder Hotels.

Mit den Mitteln der Umweltstiftung wollen Sie Hoteliers steuerlich entlasten, die ihre Betriebe umweltfreundlich führen. Das bedeutet aber doch, dass die Balearen noch weniger Steuern einnehmen. Und das fehlt wiederum, um es in den Umweltfonds zu stecken.

Wenn ein Hotelier mehr für die Umwelt tut, ist das doch genau, was wir wollen. Damit haben wir doch unser Ziel erreicht. Wir wollen nicht mehr Steuern einnehmen. Wir wollen die Umwelt schützen.

Darf denn auf Mallorca jetzt wieder mehr gebaut werden?

Wir haben ein Moratorium, was touristische Gebäude angeht. Dabei wird es auch bleiben. Es wird keine neuen Hotels auf der Insel geben. Aber die Städte und Gemeinden selbst sollen wieder wachsen dürfen. Dieses Moratorium wollen wir aufheben. Fast jede Gemeinde hat ein Wachstumspotenzial, weil die Bevölkerung auch wächst.

Also wird doch mehr gebaut …

Wird in Berlin nicht mehr gebaut?

Hier ist auch mehr Platz.

Wir wissen, dass wir als Insel ein begrenztes Territorium sind. Trotzdem werden noch neue Häuser entstehen, und wenn jemand in solch einem Gebäude Ferienwohnungen vermieten will, soll er das tun. Aber, da können Sie sicher sein: Wir werden unsere Insel nicht zubauen.

Wird künftig bei Prominenten wieder ein Auge zugedrückt? Muss Boris Becker für seine zu groß gebaute Villa jetzt nach dem Regierungswechsel keine Strafe mehr bezahlen?

Er hat den Anbau vergangene Woche wieder abgerissen.

Und wenn er’s doch noch mal mit einer Vergrößerung versucht?

Warum sollte er? Das Gesetz ist für alle gleich.

Auf Mallorca gibt es immer mehr Schilder auf Katalanisch, der Sprache, die von den Einheimischen Mallorcas gesprochen wird. Wie weit haben sich die Balearen schon von Spanien entfernt?

Wir sind zweisprachig: spanisch und katalanisch. Wir bemühen uns, in den Schulen, der Universität, den Ämtern und Läden beide Sprachen zu verwenden. So soll das auch bleiben.

Sie planen eine Freundlichkeitsoffensive auf Mallorca. Sind die Mallorquiner nicht nett genug?

Es hat von einigen Gästen eine solche Kritik gegeben. Wir versuchen in unserer Bevölkerung dafür zu werben, dass wir Dienstleister sind. Für uns ist es wichtig, den Gästen einen korrekten und sympathischen Service zu bieten. Wir werben intensiv darum, unsere Bevölkerung auch dafür zu gewinnen. Denn unsere beste Werbung ist natürlich, wenn die Gäste zufrieden sind.

Hatten Sie schon Gelegenheit, die sprichwörtliche Berliner Freundlichkeit zu erleben?

Ich bin schon oft in Deutschland gewesen, und vor allem in Berlin. Da habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Der Service ist zuvorkommend und nett.

Da könnten Sie die Berliner ja glatt zum Vorbild nehmen.

Ich glaube, dass die Mallorquiner genauso sind wie die Berliner. Schließlich sind die Balearen das Urlaubsziel Nummer eins für die Deutschen, und vor allem die Berliner. Einer der Gründe dafür ist bestimmt, dass die Mallorquiner sehr warmherzig und offen sind – genau wie die Berliner. Da versteht man sich. So gesehen brauchen sich weder die einen noch die anderen zu verändern.

Die Hoteliers von Mallorca haben Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeladen, nachdem er seinen Italien-Urlaub abgesagt hatte. Es gibt Gerüchte, er habe abgelehnt, weil er sich vor drei Jahren bei seinem Urlaub von der spanischen Presse verfolgt gefühlt haben soll. Wissen Sie davon?

Das ist schwer zu sagen. Zu der Zeit waren wir nicht in der Regierung. Aber mir ist auch nicht bekannt, dass sich der Kanzler auf Mallorca unwohl gefühlt hat.

Immerhin, König Juan Carlos kommt immer noch gern nach Mallorca. Öko-Steuer hin oder her.

Er hat sie ja nicht bezahlt. Aber im Ernst. Wir sind stolz darauf, dass die spanische Königsfamilie jedes Jahr ihren Urlaub auf Mallorca verbringt. Das ist ein Privileg. Und wir hoffen, dass das noch viele Jahre der Fall sein wird.

Das Interview führten Dagmar Dehmer und Hella Kaiser. Fotos: Thilo Rückeis und Arne Weychardt/Ullstein.

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