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Moldau: Bröckelnde Macht

In Moldau haben die Kommunisten verloren – doch ohne sie geht es auch nicht.

Von Matthias Meisner

Berlin - Für den jungen Moldauer Ion Luca ist es eine Sensation. Seit Jahren koordiniert er im Auftrag des österreichischen Erziehungsministeriums in der kleinsten Ex-Sowjetrepublik Bildungsprojekte. Nun hat seiner Auffassung nach endlich das Volk gelernt: „Wir haben uns von der kommunistischen Regierung befreit“, sagt Luca. Seinen Staat sieht er als pleite an, die Regierung habe bei der Bekämpfung der schweren Wirtschaftskrise versagt. Einen neuen Präsidenten dürfe die KP nicht mehr stellen: Sie habe „niemand, der diese Probleme noch in den Griff bekommt.“

Das ärmste Land Europas hat gewählt, mehr als die Hälfte der aufgerufenen Bürger haben sich beteiligt, und nach acht Jahren hat die Opposition die regierenden Kommunisten besiegt. Sie bleiben allerdings mit einem Stimmenanteil von 45,1 Prozent stärkste Einzelkraft. Es war die zweite Wahl innerhalb von vier Monaten: Nach der Abstimmung vom April hatte es schwere Unruhen gegeben. Die Opposition sprach von Wahlbetrug und stürmte das Parlament, welches sich wiederum nicht auf einen neuen Staatspräsidenten als Nachfolger des prorussischen Wladimir Woronin einigen konnte.

Auch in den kommenden Wochen wird die Regierungsbildung nicht einfach werden. Zwar hat die überwiegend prowestliche Opposition die absolute Mehrheit der Sitze im neuen Parlament – 53 von 101 –, doch für die Wahl des Staatspräsidenten sind 61 Stimmen notwendig. Die Kommunisten haben also eine Sperrminorität und werden in irgendeiner Form an der Macht beteiligt werden müssen. Eine Schlüsselrolle könnte bei den Gesprächen dazu der neuen Demokratischen Partei zukommen, die 13 Parlamentssitze errang. Sie wird vom Ex-Parlamentspräsidenten Marian Lupu geführt, der vor noch nicht allzu langer Zeit selbst Mitglied der KP war. Die Parteigründung wurde auch von deutschen Sozialdemokraten unterstützt. Anders als die anderen Kräfte der Opposition wendet sich Lupu auch gegen den Nato-Beitritt Moldaus.

Nach der Wahl im April hatten sich die schwierigen Beziehungen zwischen der Republik Moldau und dem Nachbarland Rumänien, seit 2007 Mitglied der EU, verschärft. Die Regierung in Chisinau machte Bukarest für die Unruhen im eigenen Land nach der Wahl im April verantwortlich, führte die Visapflicht für Rumänen wieder ein. Diplomaten erwarten, dass nach der Wahl am Mittwoch die EU-Orientierung Moldaus stabiler wird. Allerdings werde das Land seine traditionell guten Beziehungen nach Moskau deshalb wohl nicht aufs Spiel setzen, hieß es.

Der deutsche Wahlbeobachter Manfred Grund, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Eichsfeld, sprach von einer „Zeitenwende“. Dagegen hob die Linkspartei hervor: „Die Kommunisten genießen weiter das Vertrauen eines großen Teils der Menschen in ihrem Land.“ Die Linke pflegt gute Beziehungen zur KP Moldaus, hatte den Ex-PDS-Ehrenvorsitzenden Hans Modrow und Parteichef Lothar Bisky zu Gesprächen entsandt. Am Donnerstag meldet sich der deutsche Europaabgeordnete Helmut Scholz mit dem Ratschlag zu Wort, jeder Versuch, an den Kommunisten vorbei eine Regierung zu bilden, berge die Gefahr, „das Land noch mehr zu polarisieren“.

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