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Politik: Mosern in München

CSU-Leute sehen Schuld an Niederlage bei der großen Schwester

Von Robert Birnbaum

und Mirko Weber

Erste Kabinettssitzung nach der Wahl, und da ist er nun wieder, der bayerische Ministerpräsident. Für Edmund Stoiber geht in Bayern der alte Alltag weiter. Aber so lange ist die Wahlnacht noch nicht vorbei, dass die Erinnerung an die Wahlniederlage der Union nicht mehr schmerzen würde. Einfach nur nach vorn schauen stillt den Schmerz auch nicht. Die Suche nach Schuld und Schuldigen, Fehlern und Versäumnissen verspricht da schon mehr Linderung. Justizminister Manfred Weiß und Bildungsminister Hans Zehetmair haben sich jetzt mosernd zu Wort gemeldet – ob in höherem Auftrag oder nicht, sei dahingestellt.

Angesichts der Geschlossenheitsadressen aus der CDU machten Weiß und Zehetmaier deutlich, dass die CSU, obwohl loyal, sich keineswegs den Mund verbieten lassen möchte. Jedenfalls nicht von der großen Schwester CDU. „Von denen ist ein bisschen zu wenig gekommen“, sagte Minister Weiß. Wahlergebnisse wie in Brandenburg mit „20 Prozent und ein paar Zerquetschten“ seien zu dürftig. Auch Zehetmair zürnte: Kein Direktmandat in Niedersachsen, „unbedarfte Organisation“ in Schleswig-Holstein, auch wenn der Wille vorhanden gewesen sei. In Bayern dagegen, schwingt ungesagt mit, hat man ordentlich zugelegt. Kurz: Manche Christsoziale glauben, genauer zu wissen, wer verantwortlich ist, dass die Union nicht einmal zur stärksten Fraktion im Bundestag geworden ist.

Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Alois Glück, hört solche Äußerungen ungern. Zumal das lose Mundwerk leibhaftiger Kabinettsmitglieder als Lizenz zur Nachahmung verstanden werden könnte, wenn die Landtagsfraktion sich Anfang nächster Woche in Banz zur Klausur trifft. Glück teilt auch keineswegs Stoibers Prognose vom Tag nach der Wahl, dass SPD und Grüne schnell in Schwierigkeiten kämen und schon nach einem Jahr die Koalition zerbräche. Noch weniger hält der Fraktionschef von einer Art „Stand-By-Kanzler“, den Stoiber und CDU- Chefin Merkel erfunden haben und dem der Berliner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos vier Jahre Haltbarkeit verpassen will, um für Stoiber (und die CSU) bundespolitische Bedeutung über den Wahltag hinaus zu untermauern. Stoiber wird sich bald entscheiden müssen, wohin er sich berufen fühlt. Die luftigen Visionärshöhen eines Franz Josef Strauß sind seine Sache nicht, die Niederungen des landespolitischen Alltags allein freilich auch nicht mehr. Aber im Herbst 2003 sind Landtagswahlen. Da könnte ein Spitzenkandidat mit fallweise einzulösendem Ticket nach Berlin das Wahlvolk etwas überfordern.

In Berlin hören sie das bajuwarische Gegrummel übrigens auch nicht gern. Und zeigen schon mal dezent die Instrumente für den Fall, dass das weiter geht. „Wir sagen doch auch nicht: Der Stoiber hat nördlich der Main-Grenze eben nichts gebracht“, sagt einer aus der CDU-Führung. Wenn Wahlanalyse, dann ernsthaft, lautet der Appell. Aber das, glaubt der Gewährsmann, dauert noch: „Die meisten haben bis jetzt gar nicht richtig begriffen, dass wir verloren haben.“

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