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Politik: Moskau sagt weiter „Njet“

US-Vorschlag zum Raketenschild in Osteuropa abgelehnt / Auch auf EU-Russland-Gipfel droht Streit

Noordwijk/Moskau - Der Streit um den geplanten US-Raketenschild in Osteuropa hat sich verschärft. Der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow nannte einen Kompromissvorschlag der USA am Donnerstag nach dem Nato-Russland-Rat im niederländischen Noordwijk „unzureichend“.

Die USA wollen bis 2013 in Polen zehn Abfangraketen stationieren und in Tschechien ein Radarsystem einrichten. Russland fühlt sich durch die unmittelbare Nähe der Anlagen bedroht. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte Moskau deshalb eine „russische Präsenz“ angeboten. Zudem sollte der Raketenschild nur bei einer konkreten Bedrohung aktiviert werden. Serdjukow wies dieses Angebot nun zurück: „Alles was uns angeboten wurde, passt uns nicht“, sagte der russische Minister in Noordwijk. „Wir bleiben bei unserer Position.“ Serdjukow räumte allerdings eine gewisse Annäherung ein: „Mir scheint, dass die Amerikaner unsere Sorgen langsam besser verstehen.“ Frankreichs Verteidigungsminister Hervé Morin ließ Differenzen innerhalb der Nato beim Thema Raketenschild erkennen: „Wir teilen nicht unbedingt dieselbe Analyse, was das Ausmaß der Bedrohung betrifft und wann sie bevorsteht.

Probleme dürfte es auch beim EU-Russland-Gipfel geben, der am Freitag im portugiesischen Mafra beginnt. Die Themen lesen sich wie eine Liste sämtlicher Probleme zwischen Russland und dem Westen: Ob Iran, Afghanistan, Kosovo oder Moskaus Umgang mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion – in all diesen Fällen vertreten die beiden Seiten Standpunkte, die so weit auseinanderliegen, dass selbst Optimisten befürchten, falls Bewegung stattfinde, werde sie kaum wahrnehmbar sein. Schon beim letzten Gipfel im russischen Samara wurde ein verbaler Schlagabtausch nur knapp vermieden.

Diesmal steht die Diskussion zudem im Schatten des russischen Wahlkampfs. Putin weiß nur zu gut, dass die Nation neben der Sozialpolitik eine offensive Außenpolitik erwartet, die Moskau mit dem Westen auf Augenhöhe bringt. Dass der Kremlchef die Erwartungen erfüllen will, machte er mehrfach deutlich – zuletzt bei seiner „Bürgersprechstunde“ vergangene Woche, wo er seine Drohungen wiederholte: Moratorium für den KSE-Vertrag zur Begrenzung konventioneller Rüstung in Europa, Russlands Ausstieg aus dem INF-Vertrag, der die Mittelstreckenraketen begrenzt, und eine „grandiose Modernisierung der Streitkräfte“.

An innenpolitischen Zwängen dürfte auch die Einigung über zwei besonders heikle Themen erneut scheitern, die das Verhältnis zur EU seit geraumer Zeit belasten: ein neuer Grundlagenvertrag und die Europäische Energiecharta. Von der Ratifizierung des Energiepapiers durch Moskau hat die Kommission in Brüssel einen neuen Rahmenvertrag abhängig gemacht. Russland dagegen will das noch unter dem früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin ausgehandelte Papier nur nach substanziellen Änderungen der Transitprotokolle in Kraft setzen. Die Unterzeichner müssen nämlich ihre Pipelines für Drittstaaten öffnen. Moskau, das mit dem aus Sowjetzeiten stammenden Durchleitungsmonopol für Öl und Gas de facto die Energieressourcen der zentralasiatischen Staaten kontrolliert, lehnt Änderungen kategorisch ab.

Weiterer Zündstoff sind Brüssels Vorschriften zur Begrenzung russischer Investitionen in strategische Branchen Westeuropas. Hinzu kommt das Verbot Estlands, die nordeuropäische Gaspipeline auf jenem Teil des Ostseegrunds zu verlegen, der zur estnischen Wirtschaftszone gehört. Die Pipeline, die 2010 ans Netz gehen soll, belastet auch Russlands Verhältnis zu Polen, das ihretwegen die bisher fälligen Durchleitungsgebühren verliert. Auch um Warschau zum Einlenken zu zwingen, verbot Moskau die Einfuhr polnischer Fleischimporte – offiziell wegen Qualitätsmängeln. Nach den polnischen Wahlen am Sonntag hofft Russland dort auf mehr Nachgiebigkeit. AFP/win

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