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MOSKAU: Teures Pflaster

Ob Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter: Moskau kämpft gegen Stau und Smog und zieht permanent den Kürzeren. Zwar legten kommunistische Verkehrsplaner die zentralen Straßen in den 30er Jahren sechsspurig an.

Ob Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter: Moskau kämpft gegen Stau und Smog und zieht permanent den Kürzeren. Zwar legten kommunistische Verkehrsplaner die zentralen Straßen in den 30er Jahren sechsspurig an. Dass in der Stadt mehr als zwölf Millionen Menschen leben und jeder dritte davon ein Auto fahren würde, überstieg selbst ihre Vorstellungen von einer lichten Zukunft. Viele der Wagen sind zudem so alt, dass sie in Europa durch jeden Tüv fallen würden. Entsprechend hoch ist die Konzentration von Abgasen.

Bauchschmerzen macht Umweltschützern auch die unglaublich starke Verschmutzung der Gewässer. Romantisch und nach urrussischer Idylle sehen die zahlreichen Seen, Teiche, Kanäle und Flüsse nur beim Landeanflug auf Moskau aus. Wer an den Ufern steht, sieht eine trübe Brühe auf sich zuschwappen,

Das zweite große Problem sind die hohen Lebenshaltungskosten. Obwohl der gemeine Moskowiter statistisch gesehen umgerechnet nur 1200 Euro im Monat verdient, ist Moskau seit Jahren die teuerste Stadt Europas. Zwar gibt es längst alles, was des Konsumenten Herz begehrt: Shopping Malls mit Designer-Boutiquen, Cafés und Restaurants, Nachtclubs, Fitness-Studios und Beauty-Farms. Die Preise sind jedoch rekordverdächtig und orientieren sich offenbar am Kontostand der inzwischen mehr als 60 Milliardäre, die in Moskau zumindest eine Zweitwohnung haben. Und meistens auch noch ein Landhaus. Monatsmieten von mindestens 800 Euro für eine nicht renovierte Zweizimmerwohnung werden sogar in den Plattensilos am Stadtrand fällig, wo sich seit dem Systemwechsel nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wenig geändert hat. Nur Lebensmittel-Discounter und gläserne Buswartehäuschen verströmen einen Hauch von Urbanität. Zwar wurde die Metro, die täglich mehr als neun Millionen Menschen befördert und reibungslos funktioniert, inzwischen bis in die Außenbezirke verlängert. Die neuen Stationen sind mit hypermodernen Lichtschranken ausgerüstet, bezahlen kann man die Fahrt mit Geldkarte. Doch keine zehn Schritt davon entfern hockt ein Mütterchen und verkauft Zwiebeln aus eigener Ernte. Illegal und in ständiger Angst vor der Polizei. Und, obwohl die Kriminalität in den vergangenen Jahren leicht zurückging, ist Moskau nach wie vor einer der unsichersten Städte Europas.

Empört sind viele Moskowiter auch über den Umgang mit dem historischen Erbe. Von Kaufmannshäusern aus dem 19. Jahrhundert bleibt nach der Renovierung bestenfalls die Fassade übrig. Schlimmstenfalls schaffen bezahlte Brandstifter Baufreiheit für die futuristischen Projekte der neuen Eigentümer. Punkten kann Moskau dagegen mit einem reichen kulturellen Angebot. Nicht nur das Bolschoi, auch Avantgarde-Theater, Museen und Ausstellungen oder Konzerte sind stets gut besucht. Elke Windisch

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