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Politik: Müntefering liest der SPD die Leviten

Vizekanzler kritisiert Debatte um Parteiprofil / Union wirft Platzeck Unzuverlässigkeit vor

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Berlin - Es war eine Geste der Herablassung, wie sie das SPD-Präsidium von Franz Müntefering selten erlebt hat. Erst rechtfertigte der Vizekanzler und frühere SPD-Vorsitzende in der Sitzung am Montag seine einsame Entscheidung, das Renteneintrittsalter bereits 2029 auf 67 zu erhöhen. Den zahlreichen Kritikern in der SPD-Führung hielt er vor, den Koalitionsvertrag nicht mittragen zu wollen. Dann gestattete er sich mit ausholender Handbewegung eine abschließende „Bemerkung“ zur laufenden Debatte um das Profil der SPD im Allgemeinen und die Rolle des SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck im Besonderen. Münteferings Urteil: „Kreisliga“.

Nach Einschätzung von Präsidiumsmitgliedern zielte Müntefering damit nicht nur auf Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und den Berliner SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller, die mit Äußerungen zum Profil (Wowereit) und zu einem Wechsel von Platzeck ins Kabinett (Müller) für unerwünschte Schlagzeilen gesorgt hatten. Münteferings Schelte habe auch dem Umgang von Platzeck mit der Diskussion gegolten, glauben führende Sozialdemokraten: „Das war ein bitterer Angriff auf die ganze Truppe.“ Wie Platzeck und sein Generalsekretär Hubertus Heil auf die Profildebatte reagiert hätten, sei nicht gerade souverän gewesen, sagt ein Präsidiumsmitglied. Beide hätten die Interviews von Wowereit und Müller zu Beginn der Gremiensitzung ausführlich angesprochen – ein Zeichen mangelnder Souveränität.

Dass das Verhältnis zwischen Vizekanzler und SPD-Chef nicht frei von Spannungen ist, zeigte auch Platzecks Reaktion. Das böse Wort von der „Kreisliga“ ließ er unkommentiert, den Vorwurf mangelnder Koalitionstreue aber wies er zurück. Bei der SPD-internen Kritik an Münteferings Renten-Alleingang gehe es nicht um den Koalitionsvertrag, sondern darum, „wie wir miteinander umgehen“, wird Platzeck von Teilnehmern zitiert.

Platzeck ist indessen nicht nur in der SPD Gegenstand von Debatten – auch der Unionsspitze ist der SPD-Chef in den letzten Wochen auf den Wecker gegangen. Sie lässt es freimütig wissen. Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen jedenfalls, am Dienstag auf Platzecks Haltung in Sachen Familienförderung und Rente angesprochen, ließ eine deutliche Ermahnung vom Stapel: „Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sollten weiter Markenzeichen der Bundesregierung bleiben.“ Was im Klartext bedeute: Was die große Koalition diskutiert und dann beschlossen habe, das müsse sie danach auch ausführen. Wobei eben die Reihenfolge entscheidend sei – Röttgen wiederholt sie noch einmal zum Mitschreiben: „Diskutieren, Entscheiden, Umsetzen.“

Diese Reihenfolge hat Platzeck nach dem Geschmack führender Unionspolitiker in den letzten Wochen mehrfach durcheinander gebracht. Selbst die Bundeskanzlerin nahm Anstoß, im CDU-Vorstand, also praktisch halb öffentlich. Angela Merkel, berichten Teilnehmer der Sitzung, habe am Montag angemerkt, wenn es bei der SPD einreißen sollte, gemeinsam gefasste Beschlüsse kurz darauf wieder in Frage zu stellen, dann werde das auf Dauer ein Problem. In dem Zusammenhang fiel der Name Platzeck.

Dass Merkel dabei von „Unzuverlässigkeit“ gesprochen habe, wird allerdings von allen, die dabei waren, dementiert. Auch von Merkel selbst, die sich am Dienstagnachmittag an Platzeck wandte und erklärte – so berichtet der SPD-Chef –, sie wundere sich, was gemeldet werde. „Sei’s drum“, kommentierte der Brandenburger. Dass man zu dem stehe, was man vereinbart habe, gelte im Übrigen „insbesondere für die Kollegen von der CDU/CSU“. Sein Generalsekretär Hubertus Heil legte via „Berliner Zeitung“ nach: „Unflätige Angriffe“ nannte er die Unionsbeschwerden. Was aber, trotz des harschen Worts, wohl schon das Nachgeplänkel war. Oder das Vorgeplänkel, je nachdem. Ein CDU-Präsidiumsmitglied jedenfalls sagt schon mal voraus: „Beim nächsten Mal machen wir Stunk.“

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