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Politik: Müntefering will Vereine schützen

Vizekanzler bügelt Vorschläge zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ab

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Berlin - Die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts und die Ankündigung entsprechender Gesetzesinitiativen durch die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks (SPD), stoßen bei Verbänden, aber auch in der Politik auf Skepsis. Allen voran beruhigte Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) all jene, die bereits fürchten, dass die steuerliche Privilegierung der Vereine unter Schwarz-Rot abgeschafft werden soll. Die Regierung wolle nicht am Gemeinnützigkeitsrecht „rumschnippeln“, zitierte Regierungssprecher Thomas Steg den Vizekanzler. Nachdrücklich habe der Arbeitsminister im Kabinett die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements gewürdigt. Das „Gutachten einiger Professoren“ stelle keine Meinungsbildung in der Bundesregierung dar.

Die Wissenschaftler hatten am Dienstag „Wildwuchs“ beim Spenden- und Steuerprivileg der gemeinnützigen Organisationen beklagt und Einschränkungen bei der gesetzlichen Regelung verlangt. Unter anderem soll es nicht mehr möglich sein, Mitgliedsbeiträge von der Steuer abzusetzen. Außer im Jugendsport soll die steuerliche Begünstigung von Sportvereinen und -veranstaltungen abgeschafft werden. Vor allem im Gesundheitswesen sollen gemeinnützige und private Anbieter gleichgestellt werden.

Werner Ballhausen, Geschäftsführer des Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, hält die Vorschläge der Wissenschaftler für zu radikal und „teilweise lebensfremd“. Der Beirat habe „die Entwicklung der letzten 20 Jahre in der Wohlfahrtspflege verschlafen“. Seit der Abschaffung des Kostendeckungsprinzips in den 90er Jahren stünden die Dienste der gemeinnützigen Anbieter im Wettbewerb untereinander und mit den privaten Anbietern. Die vom Beirat monierte Ineffizienz sei kein Thema mehr, „das kann sich heute keiner mehr leisten“. Leistungen wie Hospizarbeit oder Obdachlosenbetreuung seien zudem nur durch Spenden aufrechtzuerhalten. „Ohne Spendenfinanzierung würde die soziale Landschaft in Deutschland völlig anders aussehen“, sagte Ballhausen dem Tagesspiegel. Zum Beispiel „Essen auf Rädern“ sagte er, die Wohlfahrtsverbände böten hier auch Betreuung, während private Anbieter in der Regel nur die Anlieferung leisteten. Allerdings unterstützt Ballhausen das Grundanliegen, Wildwuchs im Gemeinnützigkeitsrecht zu beseitigen. Es müsse eine klare Leitidee in diesem Rechtsbereich geben. „Freizeitvereine müssen nicht steuerlich gefördert werden“, sagte Ballhausen.

Rupert Graf Strachwitz, Direktor des Maecenata-Instituts der Humboldt-Universität, begrüßte das Reformanliegen. „Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass das geltende Gemeinnützigkeitsrecht nicht so bleiben kann wie es ist.“ Eine „grundlegende Überarbeitung“, die auch an Besitzstände von Verbänden rühre, sei notwendig. Allerdings müsse man die Reform behutsam angehen. So sollte es keine Einschnitte für Sport-, Musik- oder Theatervereine geben. „Dort findet ja auch die gesellschaftliche Integration statt.“ Den Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats, Mitgliedsbeiträge nicht mehr von der Steuer abziehen zu können, hält Strachwitz für keine gute Idee. „Diese Beiträge spielen für die Vereine als spendengleiche Einnahmen eine große Rolle, hier sollte man nicht leichtfertig eingreifen.“

Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) sprach sich für eine „sensibles Vorgehen“ aus. Finanzpolitiker beider Koalitionsfraktionen signalisierten, man werde sich Anfang September im Finanzausschuss des Bundestages vom Ministerium erst einmal über Hintergründe und Ziele der geplanten Gesetzesinitiative unterrichten lassen. Erst dann werde man entscheiden, ob und in welchen Punkten es zu Änderungen kommen soll.

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