zum Hauptinhalt

Politik: Musterverhandlungen über Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe locken Bürger in den Gerichtssaal

Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind öffentlich. Diese Tatsache wurde vielen auswärtigen und Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern erst an diesem Dienstag bewusst.

Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind öffentlich. Diese Tatsache wurde vielen auswärtigen und Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern erst an diesem Dienstag bewusst. Denn aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verhandelt das Gericht zwei Tage lang über sechs ausgewählte Verfassungsbeschwerden - und die Bevölkerung wurde eigens eingeladen. Mehr als tausend Menschen folgten der Aufforderung und meldeten sich an.

Bereits um acht Uhr erschienen am Dienstagmorgen die ersten der angemeldeten Besucher, die an den Musterverhandlungen teilnehmen wollten. Zwar hatten sie alle bereits ihre rosa Eintrittskarte zugeschickt bekommen, aber bis die Beamten des Bundesgrenzschutzes die Namen und Taschen kontrolliert hatten, dauerte es eine Weile. "Wir haben es im Sommer aus der Zeitung erfahren, dass man sich hier anmelden kann", berichtet ein Mann aus dem Raum Karlsruhe und "obwohl wir gleich angerufen haben, waren schon fast alle Plätze weg." Er und seine Frau, eine Steuerberaterin, hatten gerade noch Glück.

Viele Karlsruher haben bis zum Dienstag nicht gewusst, dass Verhandlungen des BVerfG ebenso öffentlich sind wie die des benachbarten Amtsgerichts. "Da wird man von der Presse auch nicht richtig informiert", bemängelt ein Einheimischer, der den Verhandlungssaal am Dienstag das erste Mal von innen sah. Um die vielen Interessenten unterzubringen, mussten sich alle für einen Vor- oder Nachmittag an einem der beiden Verhandlungstage entscheiden. Anders wäre der Andrang nicht zu bewältigen gewesen.

Vizepräsident Hans-Jürgen Papier, der um neun Uhr die Verhandlung eröffnete, machte darauf aufmerksam, dass Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern mit 96 Prozent den weitaus größten Anteil in der Arbeit des BVerfG ausmachen. Viele sähen die Verfassungsbeschwerde als "letzte juristische Chance", ein Verfahren für sich zu entscheiden. Allerdings, und damit sprach Papier einen wunden Punkt an, werden solche Verfahren in aller Regel nicht mündlich verhandelt, sondern in schriftlichen Beschlussverfahren entschieden. Tatsächlich ist das Gericht angesichts von mehr als 4000 Eingaben pro Jahr immer mehr dazu übergegangen, nur noch so genannte Großverfahren mündlich zu verhandeln. Ein weiterer Wermutstropfen: Nur knapp drei Prozent der Verfassungsbeschwerden sind erfolgreich, so Papier.

Im Mittelpunkt des Interesses stand am Dienstag der Fall der Prinzessin Caroline von Monaco, die sich gegen die Veröffentlichung so genannter Paparazzi-Fotos wendet. Die "Bunte" hatte Caroline beim Einkaufen, beim Paddeln mit ihren Kindern und beim Reiten gezeigt. Alle Fotos waren heimlich entstanden. Der Bundesgerichtshof hatte das Ende 1995 nicht beanstandet, da es die Prinzessin als Person der Zeitgeschichte hinnehmen müsse, in der Öffentlichkeit auch ohne Einwilligung fotografiert zu werden. Caroline legte Verfassungsbeschwerde ein. Sie selbst erschien erwartungsgemäß nicht, aber ihr prominenter Hamburger Anwalt Matthias Prinz zeichnete am Dienstag ein schlimmes Bild von Fotografen, die das Anwesen belagern und Caroline insbesondere seit der Geburt ihres Babys ständig auflauern und sie aus dem Hinterhalt fotografieren. Das Persönlichkeitsrecht, ja sogar Menschenrechte würden hier verletzt.

Der Vertreter des Burda-Verlages beurteilte die Situation ganz anders. Der Vater der Prinzessin habe sie und die Familie zu einem Medienereignis gemacht, um Touristen ins Land zu locken. Nun könne die Familie aber nicht bestimmen, dass nur von ihr genehmigte Fotos angefertigt und veröffentlicht würden. Es bedrohe die Pressefreiheit, wenn nur jenen die Veröffentlichung erlaubt werde, die positiv über das Fürstenhaus berichteten. Die von Caroline beanstandeten Bilder seien zudem positiv und in keiner Weise ehrverletzend. Ein Standpunkt, den die meisten der Zuschauer durchaus teilten. "Erst riefen sie doch die Geister, die sie jetzt angeblich nicht mehr los werden", meinte auch eine Beobachterin. Die Richterbank beurteilt den Fall durchaus unterschiedlich, wie die Fragen zeigten. Ein Urteil wird erst in den nächsten Wochen ergehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false