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Nach dem Beben: Kanzlerin besucht den Katastrophenort

Kanzlerin Merkel hat den G-8-Gipfel genutzt, um dem vom Erdbeben zerstörten Dorf Onna einen Besuch abzustatten - gemeinsam mit Italiens Premier Berlusconi. Von dem erhoffen sich die Bewohner vor allem den Bau von Wohnhäusern.

„Buon giorno, buon giorno.“ Viele Hände schüttelt Angela Merkel an diesem Mittwochmorgen. Ein wenig Italienisch kann sie von ihren Urlauben auf Ischia her, aber die Szenerie auf dem Kirchplatz von Onna hat mit Urlaub nichts gemein: Keine mediterrane Leichtigkeit, kein blaues Meer, die Fröhlichkeit stark gebremst. Gut, die Sonne scheint. Ansonsten ist aber alles Zerstörung. Von den Abruzzendörfern, die beim Erdbeben vor drei Monaten beschädigt worden sind, hat Onna wohl die meisten Verwüstungen davongetragen. Das Dorf ist praktisch vollständig vernichtet; 41 von knapp 300 Einwohnern sind tot.

Noch vor der Eröffnung des G-8-Gipfels, vor dem großen „Arbeitsmittagessen“ der weltführenden Industriestaaten, ist die Bundeskanzlerin mit dem Hubschrauber in Onna eingeflogen. Dass Deutschland – auf Initiative seines Botschafters in Italien, Michael Steiner – eine Art Patenschaft für gerade dieses Dorf übernommen hat, liegt an der gemeinsamen Geschichte: Im Juni 1944 ermordeten deutsche Truppen hier 17 Zivilisten; dieses nie geahndete Kriegsverbrechen gilt als „erste Zerstörung“ Onnas. Um „der Geschichte heute eine andere Richtung zu geben“, wie Steiner sagt, hat das offizielle Deutschland seine Wiederaufbauhilfe auf Onna konzentriert. Drei Millionen Euro will der Bund geben, bei Firmen und Privatleuten hat die Botschaft bisher mehr als eine weitere Million an Spenden gesammelt.

Mit gewaltigen Balkenkonstruktionen hat die Feuerwehr zumindest die Fassade der mittelalterlichen Kirche gestützt. Alle Häuser drumherum liegen in Ruinen; aus den Trümmerbergen schauen Kinderspielzeug, Wäscheständer, Matratzen, Weinflaschen heraus. Auf der Dachterrasse eines heute nahezu wandlosen Hauses flattert noch die Wäsche im Wind, die seit dem Beben vor drei Monaten keiner mehr hat abnehmen können. Und unten stehen sie im Karree: 70 oder 80 der Bewohner von Onna, die jetzt in der angrenzenden Zeltstadt leben, Feuerwehrleute, freiwillige Nothelfer aus Italien und die Männer des deutschen Technischen Hilfswerks, die seit April versuchen, den Menschen in der Zeltstadt das Leben leichter zu machen.

Angela Merkel kommt an der Seite von Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. Viele Hoffnungen richten sich auf sie. Die Leute möchten, dass Deutschland seine Hilfe nicht, wie bisher angekündigt, auf die Restaurierung der zerstörten Dorfkirche und auf das Schulgebäude beschränkt, sondern auch richtige Wohnhäuser baut. Die Kanzlerin sagt nichts Konkretes: „Die Sache wird natürlich länger dauern, als Sie sich das wünschen, aber wir bemühen uns.“

Berlusconi verspricht der Kanzlerin und den Onnaern, „bis September“ werde jeder eine Wohnung in einem stabilen Holzhaus bekommen – die ersten werden tatsächlich bereits gebaut, aus Mitteln des italienischen Roten Kreuzes – , und Merkel meint tröstend in Richtung der unfreiwilligen Zeltbewohner: „Na ja, zum Glück ist der Sommer in Italien etwas besser als der in Deutschland.“

Froh sei sie, in Onna zu sein, fügt die Kanzlerin hinzu: „Das zeigt, wenn wir uns auch in der Geschichte so viel Leid zugefügt haben, dass sich die Geschichte in Europa heute verändert hat und wir Freunde sein können. Wir können endlich etwas aufbauen, wo wir früher zerstört haben.“ Die Onnaer klatschen Beifall und rufen „Grazie, Grazie!“

Es gibt einen hübschen Strauß für Angela Merkel, Sonnenblumen und weiße Rosen, dazu ein paar Säckchen getrocknete Bohnen als lokale Küchenspezialität. Mit einem artigen „Grazie mille“ bedankt sich die Kanzlerin – und nach 20 Minuten ist sie auch schon wieder weg; der Gipfel wartet. „Stark war’s“, sagen ein paar Onnaer Frauen am Kirchplatzrand, „ein symbolischer, ein wichtiger Besuch. Jetzt hoffen wir eben, dass weitere Hilfe folgt.“ Und sie lächeln.

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