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Nach dem Gipfel: Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag provoziert Streit in der EU

Auch nach dem Gipfel von Brüssel - die EU ist nach dem Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag zerstritten. Das Minimalergebnis des Treffens: Die Ratifizierung des Vertrages soll weitergehen. Ein Zeitfenster dafür gibt es aber nicht. In sieben Staaten steht die Billigung noch aus. Besonders schwierig dürft das in Tschechien werden.

Das Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag gefährdet die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten des Balkans und die Türkei. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy drohte beim EU- Gipfel am Freitag in Brüssel offen mit einem Veto gegen den schon für 2009 angepeilten Beitritt Kroatiens. Ohne innere Reformen ist eine EU mit mehr als 27 Mitgliedern nach Ansicht von Sarkozy handlungsunfähig. Deshalb müsse der Vertrag von Lissabon, der die EU demokratischer und entscheidungsfähiger machen soll, in Kraft treten. Sarkozy übernimmt vom 1. Juli bis Ende des Jahres die EU- Ratspräsidentschaft von Sloweniens Ministerpräsident Janez Jansa.

Ungeachtet des drohenden politischen Stillstands vermieden die 27 Staats- und Regierungschef zum Abschluss des Treffens am Freitag Druck auf die irische Regierung. Auch Tschechien, wo das Verfassungsgericht den Vertrag derzeit prüft, konnte seine Vorbehalte festschreiben. Grundsätzlich soll die Ratifizierung des in zähen und langwierigen Verhandlungen ausgearbeiteten und im vergangenen Dezember in Lissabon unterzeichneten Vertrages weiter gehen. Die Billigung steht noch in sieben Staaten aus. In 19 Mitgliedstaaten haben die Parlamente dem Dokument zugestimmt.

Wackelkandidat Tschechien

Tschechien gilt als ein Wackelkandidat bei der Ratifizierung, da die politische Spitze des Landes gespalten ist und die obersten Richter derzeit prüfen, ob das Dokument mit der Verfassung in Einklang steht. Premierminister Mirek Topolánek ließ das in einer Fußnote festschreiben. Er bezweifelte nach dem irischen Nein, ob in seinem Land die Billigung des Vertrages reibungslos klappen werde. "Um ehrlich zu sein, stünde die Ratifizierung jetzt an, dann würde ich nicht mal 100 Kronen darauf wetten, dass es ein Ja gibt", sagte er.

Um der irischen Regierung bis zum nächsten EU-Gipfel im Oktober unter Vorsitz von Sarkozy jeden Druck zu nehmen, setzte die Gipfel- Erklärung kein neues Zieldatum für die Ratifizierung. Bei dem Treffen im Herbst soll die irische Regierung in einem Bericht erste mögliche Ideen für einen Ausweg aus der Krise nennen. Auf ein zweites Referendum in Irland zu einem späteren Zeitpunkt wird gehofft. Ursprünglich sollte der Vertrag zum Jahresbeginn 2009 in Kraft treten. Bei der Ursachenforschung für das irische Nein zeigt sich, dass vor allem junge Leute gegen den Vertrag stimmten. Dies geht aus einer repräsentativen Meinungsumfrage hervor, die die EU einen Tag nach dem Scheitern der Volksabstimmung in der vergangenen Woche vornehmen ließ. Demnach stimmten 65 Prozent der jungen Leute im Alter von 18 bis 24 Jahren gegen den Vertrag. In der Altersgruppe von 25 bis 39 Jahren waren es immerhin noch 60 Prozent. Auch bei jenen, die mit Nein stimmten, waren 80 Prozent allerdings für die Mitgliedschaft Irlands in der EU.

Ferrero-Waldner gegen Sarkozy

In der Debatte über künftige Beitritte neuer Mitglieder stellte sich EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner gegen Sarkozy. "Die Erweiterungsverhandlungen werden weitergehen. Und ich bin sicher, dass man eine Lösung gefunden haben wird, bevor die Frage beantwortet wird, wann Kroatien beitritt", sagte sie. "Schauen Sie sich doch die Realitäten an. Wir sind doch mitten in den Verhandlungen. Die werden doch nicht abgebrochen." Sarkozy hatte zuvor gesagt: "Ohne den Lissabon-Vertrag gibt es keine Erweiterung." Seine Ankündigung betreffe auch Kroatien. "Ich erinnere Sie daran, dass wir Einstimmigkeit brauchen." Sarkozy ist gegen einen Beitritt der Türkei, mit der ebenfalls verhandelt wird. Er sei kein prinzipieller Gegner der Erweiterung. "Europa muss sich auf dem Balkan erweitern." Dennoch seien zuvor Reformen der EU nötig.

Unterstützung bekam Sarkozy vom luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker. "Der Vertrag liegt nicht auf Eis", sagte Juncker. "Ansonsten muss jeder wissen, dass einer der Gründe, warum wir den Vertrag brauchen, die Erweiterungsfähigkeit der Union ist." Der derzeit geltende Vertrag von Nizza ist zwar auf eine EU mit 27 Mitgliedern ausgelegt, verbietet aber nicht die Aufnahme weiterer Staaten. Nach den Worten des slowenischen Regierungschefs und EU- Ratsvorsitzenden Jansa, erhoffen die Partner von Irland weiter die Ratifizierung des Vertrages, wollen aber keinen Druck machen. "Es ist ganz sicher, dass wir keine Fristen setzen werden, weder für Irland noch für irgendjemand anderen.“ Er sehe keinerlei Gefahr für den Erweiterungsprozess, sagte Jansa. (mfa/dpa)

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