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Abgetreten - und die Nachfolger stehen bereist in den Startlöchern.

© AFP

Nach dem Tod des venezolanischen Präsidenten: Chávez' Waisen

Mit Hugo Chávez starb nicht nur der venezolanische Präsident, mit ihm ging auch der geistige Führer einer mächtigen Bewegung. Sein Tod hinterlässt eine Lücke - und der Machtkampf hat bereits begonnen.

Obwohl Chávez Tod schon seit langem erwartet wurde, erschütterte die Nachricht am Dienstagabend die Lateinamerikanische Region. Seine direkten Verbündenten, die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner, der ecuadorianische Staatschef Rafael Correa und das bolivianische Staatsoberhaupt Evo Morales reagierten mit Bestürzung. Als erste südamerikanische Staatschefin traf die argentinische Präsidentin Kirchner in Venezuela ein, wo am Freitag die Beerdigung stattfindet. „Wir sind am Boden zerstört“ sagte Evo Morales bei einer Pressekonferenz wenige Stunden nach Chávez Tod.

Ecuador, Venezuela, Argentinien,  Bolivien und auch Brasilien sind die so genannte "Linke Achse" in der Region und Hugo Chávez ist ihr Anführer. Chávez wollte den Traum des venezolanischen Nationalhelden und Freiheitskämpfers Simon Bolívar verwirklichen und ein einheitliches Lateinamerika schaffen. Er nannte das die "Bolivarianische Revolution“.

„Sein Tod ist für die Oligarchen und für das Imperium bestimmt eine fröhliche Feier“, bekräftigte der bolivianische Staatschef. Rafael Correa ordnete drei Tage Landestrauer in Ecuador an, in Bolivien werden es wie in Venezuela sieben sein.

Die Lateinamerikanische linke Presse bedauerte, dass Chávez gestorben sei, ohne seinen „Bolivarianischen Traum“ vollendet sehen zu können. Der „Caudillo“ ist tot, eine Ära geht zu Ende. „Dort, wo du jetzt bist, sollst Du wissen, dass wir den festen Willen haben, keinen einzigen Schritt zurückzugehen“, sagte das ecuadorianische Staatsoberhaupt am Dienstag. Was das aber so genau heißt, weiß im Moment noch keiner. „Die Lateinamerikanische Linke ist Waise“, schreibt die spanische Presseagentur EFE.

„Eine Führerschaft ist jetzt leer“, schreibt Ricardo Kirschbaum im argentinischen Blatt „Clarin“, das als ein Blatt bekannt ist, das gegen das Kirchner-Regime schreibt. Venezuela konnte Bolivien, Argentinien und Ecuador durch seine Ölreserven auch finanziell unterstützen und beeinflusste damit die Innen- und auch die Außenpolitik dieser Länder, vor allem gegenüber den USA und auch Teheran.

Chávez Macht und Beliebtheit, vor allem unter den Armen, rief große Feindschaften, ja regelrechte Hassgefühle bei seinen politischen Gegnern und Verleumdern hervor. „Por qué no te callas?" - "Warum hältst Du nicht einfach die Klappe?" ist der inzwischen berühmte Satz, den der spanische König Juan Carlos zu Chávez beim Ibero-Amerika Gipfel 2007 sagte, als dieser den spanischen Premierminister Jose Luis Zapatero wiederholt unterbrach.

Chávez galt als herausfordernd und vor allem ordnete er sich niemandem unter. „Denjenigen, die mir den Tod wünschen, wünsche ich ein langes Leben, damit sie erleben, wie die Bolivarianische Revolution Schlacht um  Schlacht und Sieg um Sieg vorankommt“, sagte er 2012, als die ersten Gerüchte über seine Krankheit an die Öffentlichkeit kamen.

Der Verfassung entsprechend, müssten in Venezuela binnen 30 Tagen nach dem Tod des Staatschefs neue Wahlen stattfinden. Bis dahin sollte der Präsident des Parlaments das Amt übernehmen, in diesem Fall Diosdado Cabello, auch ein Parteianhänger Chávez. Tatsächlich übernimmt das Amt aber Venezuelas Vizepräsident Nicolas Maduro. Weil das nicht der Verfassung entspricht, ist diese Ernennung kritisch aufgenommen worden. Maduro und Cabello sind Anhänger von Chávez, und es war auch Chávez' Wille, dass einer von beiden ihm nachfolgt - trotzdem ist die Ernennung Maduros' ein Verfassungsbruch, der allerdings auch auf einen Bruch innerhalb der Partei hinweisen könnte.

Die argentinische Zeitung Clarin und das bolivianische Internetportal Ejutv.com kritisieren auch die Tatsache, dass der venezolanische Vizepräsident Nicolas Maduro durch den Verteidigungsminister schon das Militär auf die Strasse geschickt hat. „Die Garanten der Verfassung“ nennen sich seit Dienstagabend die Militärs.

Was auf jeden Fall sicher ist: In Venezuela wird sich schon bald der Kampf um die Macht entzünden. Henrique Capriles verlor die letzten Wahlen mit 45% der Stimmen gegen Hugo Chávez. Wenn er bei den bevorstehenden  Wahlen wieder mitmacht, wird er wieder gegen Hugo Chávez antreten - auch wenn dieser schon tot ist.

Die Autorin ist Stipendiatin aus Südamerika und für zwei Monate in der Redaktion des Tagesspiegel.

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