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Nach der Wahl: Schwedische Sozialdemokraten verlieren Chefin

Erst verloren Schwedens Sozialdemokraten die Wahl – und jetzt ihre Chefin. Am Sonntagnachmittag gab Mona Sahlin ihren Abgang bekannt.

Mona Sahlin war den Tränen nahe, als sie am späten Sonntagnachmittag mit stockender Stimme Journalisten auf einer Pressekonferenz ihren Abgang als Vorsitzende der schwedischen Sozialdemokraten bekannt gab. So war es eigentlich nicht geplant gewesen. Aber bevor es zu dem überraschenden Schritt Sahlins kam, gab es ein Treffen mit den 26 Regionalchefs ihrer Partei. Dabei hatte Sahlin die komplette Parteispitze aufgefordert, ihre Posten zur Verfügung zu stellen und beim Parteikongress im Frühling neu zu kandidieren. Sie selbst würde das auch tun, sagte Sahlin. Doch aus dem geradezu revolutionären Schritt, der zu einer Verjüngung der Partei führen sollte, wurde nichts. Nach Angaben der größten schwedischen Tageszeitung „Aftonbladet“ wurde die Parteichefin von den „Häuptlingen“ der Regionalverbände gestürzt – ihr blieb nur noch der Rückzug vom Vorsitz der Partei.

Sahlins Ankündigung, beim Parteikongress im März 2011 nicht mehr kandidieren zu wollen, ist der vorläufige Endpunkt einer Negativentwicklung bei der langjährigen schwedischen Regierungspartei. Zunächst hatten die Sozialdemokraten 2006 ihre Regierungsmacht an eine Mitte-rechts-Koalition unter dem konservativen Parteichef Fredrik Reinfeldt verloren. Bei den Wahlen im vergangenen September zog die Partei abermals den Kürzeren – und erzielte mit 30,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1914.

Die Ursache für den Rücktritt Sahlins liegt aber nach der Ansicht von Lena Mellin, einer der bekanntesten politischen Kommentatorinnen Schwedens, nicht in erster Linie im desaströsen Wahlergebnis vom September. Den Ausschlag gab vielmehr die Angst der Spitzenfunktionäre, ihre Ämter zu verlieren, sagt Mellin.

Wer Sahlin im Parteivorsitz nachfolgt, ist völlig offen. Große Popularität genoss Sahlin in der Partei nie, dafür legte sie zu häufig eine etwas zu bittere Art an den Tag. Selbst eingefleischte Stammwähler empfanden sie als unsympathisch, ihr politisches Engagement galt vielen als unglaubwürdig. Sahlin wuchs im feinen Stockholmer Stadtteil Nacka auf. Als Tochter eines hohen sozialdemokratischen Spitzenfunktionärs wurde sie als eines der typischen Partei-Eigengewächse kritisiert – ein Politikerkind mit angelesenen Idealen. Ex-Premier Göran Persson vermieste ihr gar ihren Amtsantritt im Jahr 2007: Sahlin sei eine funktionstüchtige Politikerin, aber ihr fehle der intellektuelle Geist, sagte er damals offen. Jetzt stehen Schwedens Sozialdemokraten ganz ohne Führung da. „Noch nie zuvor hat Schwedens Sozialdemokratie in einer so tiefen Krise gesteckt“, lautete das Urteil der Zeitung „Svenska Dagbladet“.

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