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Mit dem Rücken zur Wand: Frankreichs Präsident François Hollande .

© dpa

Nach massivem Vertrauensverlust: François Hollande geht in die Offensive

Zehn Monate nach seinem Amtsantritt ist François Hollande so unpopulär wie kein Präsident vor ihm. Nur knapp ein Drittel der Franzosen vertrauen ihrem Staatsoberhaupt noch. Jetzt geht Hollande in die Offensive.

Frankreichs Präsident François Hollande wagte eine Anleihe bei der griechischen Mythologie. Nicht das Gewicht des Felsbrockens sei entscheidend, sagte er und beschrieb damit seine schwierige politische Aufgabe an der Spitze eines krisengeschüttelten Landes. Wichtig sei vielmehr, mit der Last auf dem Gipfel des Berges anzukommen. Wie er das zu erreichen gedenkt, will der Sisyphus im Elysée-Palast am Donnerstagabend den Franzosen in einem Fernsehinterview darlegen.

Nach zahlreichen Hiobsbotschaften der vergangenen Tage, etlichen Pannen in der Regierung und neuen Zahlen über den Ansehensverlust des Präsidenten und seiner Regierung erschien es Hollande dringlich, dieses „Rendezvous mit den Franzosen“, wie es einer seiner Berater nannte, zu suchen, um seine Politik zu erläutern und die Zweifel an seiner Amtsführung zu zerstreuen. Zu viel war in letzter Zeit zusammengekommen. Im Februar listete die Statistik 18 400 zusätzliche Arbeitslose auf. Mit 3,2 Millionen Jobsuchenden erreichte die Beschäftigungskrise fast das Rekordniveau von 1997. Die Wirtschaft stagniert, im letzten Quartal 2012 schrumpfte sie sogar. Erstmals seit vielen Jahren sank die Kaufkraft der Franzosen.

Kein Wunder, dass dem sozialistischen Präsidenten, wie die Umfragen der Meinungsforscher übereinstimmend ergeben, nur noch knapp ein Drittel der Franzosen vertrauen. Zehn Monate nach seinem Amtsantritt ist Hollande so unpopulär wie kein Präsident vor ihm. Selbst sein Vorgänger, der konservative Nicolas Sarkozy, konnte nach so kurzer Zeit immer noch bei 40 Prozent der Franzosen auf Zustimmung zählen. Hinzu kommt, dass Hollandes Premierminister Jean-Marc Ayrault genauso wenig populär ist wie der Präsident, während sich Sarkozy immerhin auf die hohen Sympathiewerte seines Regierungschefs François Fillon stützen konnte.

Als Hauptgrund dieses Ansehensverfalls nennen Meinungsforscher wie Roland Cayrol vom Institut Cevipof die Beschäftigungskrise, die sich für Franzosen nicht mehr nur als abstrakte Katastrophenmeldung vom Arbeitsmarkt darstellt. Immer mehr Menschen erleben in ihrem Umfeld, dass Unternehmen schließen und auf einen Schlag Hunderte von Mitarbeitern auf die Straße setzen. Das Gesicht der Krise liefern Väter, die lange vor dem Erreichen des Rentenalters ihren Job verlieren und nicht mehr vermittelt werden können, oder Jugendliche, die trotz einer soliden Ausbildung keine oder wenn überhaupt nur eine zeitlich begrenzte Anstellung finden.

Warum Hollande die Probleme eigentlich nicht angelastet werden können

Die Probleme sind nicht unbedingt der jetzigen Regierung anzulasten. Die Arbeitslosigkeit ist vielmehr seit 2007 – also noch während der Amtszeit Sarkozys – von zwei Millionen auf jetzt 3,18 Millionen gestiegen.

Darauf verwies die Regierung, um die Kritik der Opposition an ihrer angeblichen Untätigkeit zu entkräften. Tatsächlich wurde eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die Hollande im Wahlkampf versprochen hatte, um zum Beispiel die Arbeitsplätze von Senioren zu erhalten oder die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Doch solche Programme kosten nicht nur Geld, sondern auch Zeit, bis sie greifen. Hollande hofft, so die steigende Kurve der Arbeitslosigkeit bis Ende dieses Jahres umzukehren. „Das ist keine Überzeugung, kein Glaube, sondern mein Wille, mein Ziel“, sagte er nach einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy. Zugleich schränkte er allerdings ein: „Um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, brauchen wir Wachstum.“ Um mindestens ein Prozent müsste die Wirtschaft wachsen, damit wieder Jobs geschaffen werden. Doch das ist nicht in Sicht.

Nicht nur die Ungewissheit von Zukunftsversprechen lässt eine große Mehrheit der Franzosen zweifeln, sie verlieren auch die Geduld. „Sie erblicken kein Anzeichen einer Wende, die ihre Lage verbessern könnte“, diagnostiziert der Meinungsforscher Cayrol ihre Stimmung. Zu den Zweifeln haben auch die vielen Pannen beigetragen, die sich Hollandes Mannschaft leistete – von der stümperhaften Konzeption der 75-Prozent-Steuer für Millionäre bis zur Kakophonie um die Abgabe auf Dieselkraftstoff. Anders als Sarkozy, der eigenwillige Minister sofort zurückpfiff, greift Hollande selten in solche chaotischen Debatten ordnend ein.

Das hat dem Präsidenten, der statt des raubeinigen Stils seines Vorgängers einen zögernden Stil pflegt, den Spitznamen „Pépère“ (Väterchen) eingebracht. Nur einmal bewies er Entschlossenheit. Das war, als er den durch die Untersuchung wegen eines illegalen Kontos in der Schweiz belasteten Budgetminister Jérôme Cahuzac auf der Stelle entließ. Als „heilsam“ lobten Kommentatoren diese Entscheidung. Ob es ihm gelingt, mit seiner „Krisen-Pädagogik“ im Fernsehen die Franzosen aufzurichten, wie es die Politologin Mariette Sineau ausdrückt, bleibt abzuwarten. In der antiken Sage rollte der Felsbrocken stets zurück, bevor Sisyphus den Gipfel erreichte.

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