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Kostbares Element. Im Sommer ist Wasser im Gazastreifen auch zur Abkühlung gefragt – wie hier in Nuseirat.

© dpa

Nach Schulz' Knesset-Rede: Palästinenser sitzen auf dem Trockenen

Mit der Bemerkung zur Wasserknappheit der Palästinenser legte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz den Finger in die Wunde – trotz falscher Zahlen.

Die Palästinenser verbrauchen weniger Wasser als die Israelis. Mit dieser simplen Feststellung hätte der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, bei seiner Rede in der Knesset, die anschließend so viel Wirbel auslöste, richtiggelegen. Doch Schulz nannte ungeprüfte Zahlen, die objektiv falsch sind. Damit zog sich der SPD-Politiker den Zorn der ultrarechten Vertreter der Siedler im israelischen Parlament zu.

Dass Schulz von den Wasser-Sorgen der Palästinenser sprach, war zweifellos richtig. Doch er hätte besser daran getan, nicht von den Wassermengen zu reden, die den Palästinensern von Israel zugebilligt und teilweise auch geliefert werden. Stattdessen hätte er von denjenigen Wassermengen reden sollten, welche die Palästinenser nicht erhalten. Zur Wasserknappheit auf der Seite der Palästinenser kommt es zum Beispiel, weil Siedler palästinensischen Bauern das Wasser abgraben und tiefe Bohrungen ins Grundwasser vornehmen. So werden die Quellbrunnen der Landwirte trockengelegt. Aus deren nicht bewässerten Feldern wurde auf diesem Weg Brachland. Und nach einigen Jahren wurde das Brachland zu öffentlichem Land erklärt und fiel der Besatzungsmacht Israel zu.

Schulz' Wasser-Zahlen waren falsch in jeder Hinsicht

Schulz machte allerdings den Fehler, in der Knesset Zahlen weiterzugeben, die ihm von inoffizieller palästinensischer Seite geliefert worden waren. Schulz berichtete von einer Begegnung mit jungen Palästinensern in Ramallah zwei Tage vor seiner Rede in der Knesset. Ein junger Palästinenser habe ihn bei dem Besuch im Westjordanland gefragt, wie es sein könne, „dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17“. Das wäre also viermal mehr Trinkwasser für Israelis. Das ist falsch in jeder Hinsicht. Laut der offiziellen palästinensischen Wasserbehörde standen ihrer städtischen Bevölkerung im Jahr 2011 113 Liter pro Tag und Kopf oder 36,7 Kubikmeter pro Jahr zur Verfügung. Für die israelischen Städter waren es 77,6 Kubikmeter pro Jahr – also etwas über das Doppelte und nicht das Vierfache.

Die Zahlen dürften wohl in Zukunft weiter auseinanderdriften. Schließlich hat Israel mit der Meerwasserentsalzung an seinem Mittelmeerstrand begonnen. Deshalb sind die israelischen Behörden auch nicht mehr gezwungen, die Bevölkerung in dringenden Appellen zum Wassersparen aufzurufen.

Wasserproblem schon im Osloer Friedensabkommen ein Thema

Die Architekten der Osloer Friedensabkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aus den Neunzigerjahren erkannten das Wasserproblem. In der Folge unterzeichneten die beiden Seiten im Jahr 1995 ein Abkommen, das einerseits den östlichen Teil des Berg-Grundwasserbeckens den Palästinensern, den westlichen Teil den Israelis zuteilte – obwohl er fast ausschließlich unter israelisch besetztem palästinensischen Gebiet liegt. Andererseits verpflichtete sich Israel zur Lieferung von 31 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr, namentlich in den Gazastreifen. Doch beide Seiten sahen sofort ein, dass diese Mengen nicht genügten. Die Palästinenser bohrten mehrfach beim Herodion-Berg nahe Bethlehem nach Wasser – vergeblich, obwohl dort gewaltige Grundwasserreserven vorhanden sind. Israel erhöhte die Wasserlieferungen sukzessive auf 56 Millionen Kubikmeter, also auf fast das Doppelte.

Insgesamt hat sich die Wasserversorgung für die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland deutlich verbessert. Wohl weniger oder gar keine Verbesserungen bei der Versorgung mit der knappen Ressource gab es für die Palästinenser im Gazastreifen. Zudem ist die Wasserversorgung für den landwirtschaftlichen Bereich nach wie vor vielerorts ungenügend. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Israels Behörden mit Recht stolz verkünden, 95 Prozent der palästinensischen Bevölkerung seien an die direkte Wasserversorgung angeschlossen. Dies ist ein weit höherer Prozentsatz als in den meisten Staaten der Welt.

Ex-Botschafter Avi Primor verteidigt Schulz

Dass Schulz mit seiner Kritik an der Wasserknappheit bei den Palästinensern im Grundsatz richtig lag, bestätigte auch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor. Dem "Deutschlandfunk" sagte Primor, dass sich die Israelis beim Wasser "viel besser" bedienten als die Palästinenser. Dass der EU-Parlamentschef in seiner Rede vor dem Parlament falsche Zahlen zur Wasserversorgung von Israelis und Palästinensern angegeben habe, sei lediglich ein "technischer Fehler" gewesen. Dieser Fehler habe den Vertretern der Siedler im Parlament als Vorwand gedient, um einen Eklat herbeizuführen: „Das war eine gute Ausrede für die Rechtsextremisten zu sagen, er lügt.“ Mit Blick auf die gesamten Ausführungen des EU-Parlamentspräsidenten sagte der ehemalige Botschafter weiter, Schulz habe eine „eine sehr schöne, eine sehr gute Rede“ gehalten.

Kritik am Auftritt vor der Knesset gab es im Europaparlament vom CSU-Abgeordneten Markus Ferber. "Diplomatisches Geschick ist nicht seine Stärke", sagte er dem Tagesspiegel mit Blick auf Schulz. Dagegen sagte die britische Labour-Abgeordnete Glenis Willmott dem Tagesspiegel, dass den Palästinensern gegenwärtig ein Leben in Frieden und Bewegungsfreiheit verwehrt werde. Schulz verschaffe den Bedenken der Europaabgeordneten angesichts der Lebensumstände der Palästinenser Gehör, erklärte sie weiter. Willmott gehört wie Schulz der Fraktion der Sozialisten im Europaparlament an.

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