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Vor einem Jahr war noch alles im Reinen bei der Nord-CDU. Christian von Boetticher hier mit dem damaligen Ministerpräsidenten, Peter Harry Carstensen (l), im September 2010 beim CDU-Landesparteitag in Neumünster.

© dpa

Nach Sex mit Minderjähriger: Welche Folgen hat Boettichers Rücktritt für die Landes-CDU?

Ausgerechnet sein Privatleben kostete den Landesvorsitzenden der CDU in Schleswig-Holstein alle politischen Ambitionen und stürzt seine Partei in eine tiefe Krise.

Der Gang vor die Öffentlichkeit am Sonntagabend im Kieler Nobel-Hotel, es war der zweifellos schwerste für Christian von Boetticher. Denn bisher hat in seinem politischen Lebenslauf alles immer nur noch oben gezeigt. Ausgerechnet sein Privatleben kostete den Landesvorsitzenden der CDU in Schleswig-Holstein nun alle politischen Ambitionen und stürzte seine Partei in eine tiefe Krise.

Was veranlasste Boetticher zum Rücktritt?

Als der 40-Jährige vor die Öffentlichkeit trat, wollten die Journalisten gar nichts mehr hören über seine kurzzeitige Affäre im Vorjahr mit einer 16-Jährigen aus Korschenbroich. Das war bis dahin sowieso schon alles nachzulesen. Es ging um sein politisches Schicksal in der Union, und dafür kämpfte er zunächst vor dem Landesvorstand, dafür klammerte er sich an die Macht. Denn seit Mai des Jahres war es ausgemachte Sache, dass er für die vorgezogenen Landtagswahlen am 6. Mai 2012 den jetzigen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) als Spitzenkandidat beerben sollte. Boetticher hatte sich in eine Sackgasse manövriert und wollte es selbst nicht wahrhaben. Als es einsam um ihn herum wurde, der Landesvorstand sich von ihm abgewendet hatte, da feilschte er noch um seine Karriere. Er sei beratungsresistent, hatte man dem schleswig-holsteinischen Landeschef der CDU schon einige Male seit seiner Amtsübernahme im vergangenen September nachgesagt – in seiner Bewertung der ihm rechtlich nicht vorzuwerfenden Affäre zeigte sich dies wieder.

Vor knapp einem Monat hatte sich von Boetticher mit seinem „Ziehvater“ Carstensen über diese Angelegenheit ausgesprochen. Dann zog die Geschichte mit der „ungewöhnlichen Liebe“, wie sie der Jurist nennt, immer größere Kreise in seiner Partei, und er wurde zur „Flucht nach vorn“ getrieben. Doch auch mit dieser Vorwärtsverteidigung konnte er die eigenen Reihen nicht mehr überzeugen. Die vierseitige persönliche Erklärung, die von Boetticher unter Tränen und mit immer wieder wegbrechender Stimme verlas, verkündet dagegen Einsicht und Weitsicht, die er zum richtigen Zeitpunkt hat vermissen lassen: „Und doch hätte mir klar sein müssen, dass viele Menschen innerhalb und außerhalb der Partei von mir ein anderes Verhalten im Privatleben erwartet haben und (…) auch erwarten konnten.“ Unterdessen verteidigte die inzwischen 17-Jährige den Politiker. Gegenüber dem Kölner „Express“ sagte sie: „Es war Liebe. Ich kann nichts Schlechtes über Christian sagen.“

Carstensen hat in den vergangenen Jahren jeden Karriereschritt von Boettichers protegiert, so dass schnell der Begriff des Kronprinzen die Runde machte. Der „Landesvater“ tauchte am Fiaskosonntag seiner Nord-CDU ab, stand für keine Stellungnahme zur Verfügung, zu tief saß auch seine persönliche Enttäuschung, sich in seinem designierten Nachfolger getäuscht zu haben. Wer ein Spitzenamt anstrebe, der müsse sich auch an besonderen Ansprüchen messen lassen, kommentierte am Montag der Ministerpräsident die Vorgänge und hat eben nicht nur an die politische Reife gedacht.

Wie geht es weiter mit der CDU in Schleswig-Holstein?

Am Montagabend trat von Boetticher auch als Fraktionsvorsitzender zurück. Er tat dies schriftlich: Um weiteren Schaden von meiner Fraktion und von meiner Person abzuwenden, habe ich mich heute, um 17.10 Uhr entschieden, auch als Vorsitzender der CDU-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag zurückzutreten.“ Heute kommt die Fraktion zusammen. Abends tagt dann der erweiterte Landesvorstand. Es ist kein Geheimnis, dass der jetzige Wirtschaftsminister Jost de Jager als Spitzenkandidat ausgeguckt werden soll. Mit den Problemfeldern HSH Nordbank, feste Fehmarnbelt-Querung, erneuerbare Energien und Kohlendioxid-Speicherung im Untergrund sowie Hochschulpolitik fallen schon jetzt zentrale, für Schleswig-Holstein relevante Handlungsfelder in sein Ressort.

Bleibt für die Partei noch zu klären, ob man dem wahlkampfunerfahrenen de Jager auch noch gleich den Landesvorsitz mit zumutet oder dafür beispielsweise die jetzigen Bundestagsabgeordneten Johann Wadephul oder Ingbert Liebing antreten. Gegen Ole Schröder, Ehemann von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und zugleich Staatssekretär im Bundesinnenministerium, spricht dessen Nähe zu von Boetticher und ein zu großer Abstand zur Landespolitik.

Die politische Konkurrenz hält sich in der Kommentierung zurück und betont, dass das Privatleben nichts in der Politik zu suchen habe. Die SPD weiß davon ein Lied zu singen. Als in Neustadt/Holstein eine Kommunalpolitikerin der SPD, von der Nacktaufnahmen im Internet kursierten, sich 2008 für die Gemeindewahlen aufstellen lassen wollte, brach über die Genossen eine wochenlang andauernde moralische Entrüstungsdebatte ein.

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