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Politik: Nachruf auf den Megastau

Amerika – das ist McDonald’s, England ist der Rasen, Frankreich L’ amour. Auch wir Deutschen haben ein Nationalsymbol, das sich aber nur selten in voller Größe zeigt: den Stau.

Amerika – das ist McDonald’s, England ist der Rasen, Frankreich L’ amour. Auch wir Deutschen haben ein Nationalsymbol, das sich aber nur selten in voller Größe zeigt: den Stau. Nein, nicht diese Merkel-Müntefering-Problembär-Sache mit dem Staat, überhaupt nichts Metaphorisches. Sondern der schlichte Autobahnstau, dessen Hochsaison soeben begonnen hat.

Niemand pflegt diesen Ausdruck deutscher Leitkultur so innig wie der ADAC, und deshalb muss uns dessen aktuelle Mitteilung alarmieren: Der echte Megastau vom Typ Irschenberg 1982, einmal rauf bis Bayreuth, mit Picknick und Kindern, die bei Staubeginn gezeugt und bei Stauauflösung geboren wurden – er existiert nicht mehr. Er war Ausdruck jener Zeit, in der die Fahrer überladener Ford Granadas mehrmals jährlich ihren Migrationshintergrund aufsuchten und gern nach einer Vollbremsung den Gebetsteppich hinter der Leitplanke entfalteten. Alles Geschichte – heute gelten schon 40 Kilometer als Monsterstau.

Dennoch will der ADAC auch nachwachsende Generationen mit den Phänomen vertraut machen. Ein Autobahnstau, liebe Fahranfänger, ist eine Art Fanmeile, nur eben mit Autos und ohne Public Viewing . Wer das Ende, erkennbar an den roten Bremslichtern, vor sich sieht, trägt in der Regel nicht zur Auflösung bei, indem er mit Vollgas draufknallt. Der Staugourmet fährt vielmehr langsam heran, stoppt und öffnet sofort abrupt die Tür, um überhastet durch die Reihen eilende Motorradfahrer auf richtiges Verhalten einzuschwören. Dann macht er eine Fanta auf und lädt den Nachbarn zu einer Runde Mau-Mau ein.

Richtig ist es laut ADAC auch, den Verkehrsfunk einzuschalten, um zu hören, welche Strecke die richtige gewesen wäre. Falsch ist es, das Auto mit laufendem Motor abzustellen und zu Fuß den nächsten Bahnhof aufzusuchen. Wer vom Autofahren genug hat, sollte vielmehr den Schlüssel abziehen und ihm dem nächstgelegenen ADAC-Stauberater in die Hand drücken, dabei aber auf Beleidigungen wie „Scheißstau“ unbedingt verzichten.

So ein Stau ist nämlich ungeheuer sensibel. Fühlt er sich ungeliebt, wechselt er seine Gestalt und tritt als Stellwerkspanne oder Fluglotsenstreik auf. Dann können uns auch keine Stauberater mehr helfen.

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