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Politik: Nagelprobe für die Reformer - Diskussion um UN-Kampfeinsätze sorgt in Münster für Zündstoff

Die Genossen rüsten auf: Im Streit um militärische Einsätze der Vereinten Nationen, eines der konfliktträchtigen Themen auf dem PDS-Bundesparteitag in Münster, wappnen sich Befürworter wie Gegner - rhetorisch. Die Debatte der Frage kann kriegsentscheidend sein: Sollte der Parteitag der Linie von Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichef Lothar Bisky nicht folgen, würde der Reformerflügel deutlich geschwächt.

Von Matthias Meisner

Die Genossen rüsten auf: Im Streit um militärische Einsätze der Vereinten Nationen, eines der konfliktträchtigen Themen auf dem PDS-Bundesparteitag in Münster, wappnen sich Befürworter wie Gegner - rhetorisch. Die Debatte der Frage kann kriegsentscheidend sein: Sollte der Parteitag der Linie von Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichef Lothar Bisky nicht folgen, würde der Reformerflügel deutlich geschwächt. Die beiden Spitzengenossen wollen, dass die PDS UN-Militäreinsätzen nach Einzelfallprüfung zustimmen kann. Die Gegner solcher Interventionen sehen darin den "Einstieg in den Einstieg".

Die geltende Beschlusslage ist bis zum Krieg um das Kosovo eindeutig pazifistisch gewesen. "Die Waffen nieder", ist das Kapitel im Parteiprogramm aus dem Jahr 1993 überschrieben, das sich mit diesem Thema befasst. Darin heißt es: "Die PDS tritt dafür ein, Krieg und militärische Gewalt zu ächten und für immer aus dem Leben der Völker zu verbannen. Wir lehnen Denken und Handeln in Abschreckungs-, Bedrohungs- und Kriegführungsstrategien ab." 1996 bekräftigte ein Bundesparteitag in Magdeburg: "Wir lehnen militärische Konfliktlösungen grundsätzlich ab. Das gilt auch für alle Bestrebungen der UN, regionale Auseinandersetzungen und einzelne innerstaatliche Konflikte mit militärischen Mitteln beseitigen zu wollen."

Das strikte "Nein" soll aus Sicht von Gysi und Bisky nicht mehr gelten. In einem Leitantrag für den Parteitag, den der Bundesvorstand Mitte Februar mit zehn gegen zwei Stimmen verabschiedete, wurde die vorsichtige Öffnung formuliert. "Nach eingehender Analyse" solle geprüft werden, "ob im Ausnahmefall - wie im Falle der Republik Haiti und Ost-Timor - der notwendige Stopp eines Völkermordes oder einer Aggression mit militärischen Mitteln durch den UN-Sicherheitsrat akzeptiert werden kann". Entsprechend wurde auch die Bundestagsfraktion verpflichtet.

Dass es gegen einen solchen Vorstoß Widerstand geben würde, war klar. Die Dimension überraschte den Reformerflügel dann aber doch. Über 100 Mitglieder und Mandatsträger unterschrieben Ende Februar einen Gegen-Antrag, der sich strikt für die Durchsetzung des militärischen Gewaltverbots in der internationalen Politik einsetzt. Initiiert von der Europa-Abgeordneten Sylvia-Yvonne Kaufmann wurden zahlreiche Bundes- und Landespolitiker als Unterstützer gewonnen. Und mancher Name auf der Unterzeichner-Liste schmerzte die Parteiführung - etwa der des bayerischen Bundestagsabgeordneten Uwe Hiksch, der gerade erst von der SPD übergetreten war. Oder die von Matthias Gärtner, Vize-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt und Dagmar Enkelmann, Landtagsabgeordnete aus Brandenburg. Sie stehen nun gemeinsam auf der Liste etwa mit Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum - vereint unter dem Motto, dass die PDS "die einzige im Bundestag vertretene Friedenspartei" bleiben müsse.

In einem Brief an die Delegierten des Bundesparteitages gab Gysi zurück, es könne doch nicht sein, dass eine Antwort "ein für allemal" feststehe, dass sie immer "Nein" laute. "Damit fielen wir weit hinter Lenin zurück, der immer verlangt hat, vor einer politischen Meinungsbildung oder eine politischen Forderung, eine konkrete Analyse vorzunehmen." Gysis Leute sind überzeugt, dass der Parteitag letztlich diesen Argumenten folgen wird.

Drohpotenzial für den anderen Fall lieferte der Europaabgeordnete Andre Brie, PDS-Vordenker. Den Kritikern jedweder UN-Kampfeinsätze gehe es nur darum, die Partei in die "ideologische Nische der Folgenlosigkeit zurückzuziehen". Brie schloß auch personelle Konsequenzen in der Führung nicht aus: Gysi habe "immer gesagt, dass er nicht für jede Politik als Aushängeschild zur Verfügung steht".

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