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Politik: Nahost-Gipfel: Israelis und Palästinenser wollen sich einigen - doch solange sie Jerusalem nicht ausklammern, gibt es keine Verständigung

Sie können und wollen nicht. Weder Palästinenser noch Israelis sind zu den für einen Friedensschluss unabdingbaren Kompromissen in und um Jerusalem bereit.

Sie können und wollen nicht. Weder Palästinenser noch Israelis sind zu den für einen Friedensschluss unabdingbaren Kompromissen in und um Jerusalem bereit. Und selbst wenn die Regierungen und Unterhändler wollten, könnten sie infolge massivsten Drucks der eigenen Leute und der ausländischen Brüder nicht nachgeben - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Jerusalem, die Heilige Stadt der drei monotheistischen Religionen, ist - nachdem sie zwei Jahrtausende lang als Alibi für Kriege diente und zum ewigen Streitfall wurde - nun auch zum Stolperstein für Jassir Arafat und Ehud Barak geworden. Ihn aus dem Weg zum Frieden zu räumen, ist anscheinend derzeit nicht möglich. Deshalb scheint es vernünftig, wenn die beiden Seiten ein Abkommen schließen wollen, genau diesen Stolperstein zu umgehen: Jerusalem müsste dann von jeder Art von Übereinkunft ausgeklammert und die Problemlösung der Zukunft überlassen werden. In diesem Punkt dürften sich die Kontrahenten in den langwierigen Verhandlungen in Camp David einig geworden sein. Der frühere israelische Analytiker Chemi Shalev fasste seine Erkenntnis in der Zeitung "Maariv" so zusammen: "Man kann jeden Fußbreit in Jerusalem behalten, und vielleicht kann man den Konflikt mit den Palästinensern beenden, doch es ist unmöglich beides zu tun".

Israels Ministerpräsident Barak hat, bevor es zum großen Knall kam, Arafat einen Vorschlag zu Jerusalem unterbreitet, der bei der israelischen Opposition sofort einen Entrüstungssturm hervorrief und bei seinen palästinensischen Gegenübern auf ebensolche Ablehnung stieß. Baraks Vorschlag sieht einen Gebietsaustausch in und um Jerusalem vor, beruhend auf einer massiven Ausdehnung des israelischen Stadtgebietes bei gleichzeitiger weitgehender Autonomie der Palästinenser in Ost-Jerusalem. Konkret soll das israelische Groß-Jerusalem durch die Eingemeindung der großen Westbank-Siedlungen im näheren und weiteren Umfeld Jerusalems geschaffen werden: Givat Zeev in Nordosten, Maale Adumim im Osten sollen ins Stadtgebiet einbezogen werden, während dieses im Süden das palästinensische Bethlehem zu dreiviertel umklammern würde mit Einschluss der Siedlungen Betar und Efrat sowie des Gusch Etzion-Siedlungsblockes.

Die Palästinenser erhielten dafür unter Aufsicht ihre Zivilverwaltung - nicht aber ihren staatlichen Souveränitätsbereich - die Ostjerusalemer Stadtviertel Beit Hanina, Shuafat (mit dem einzigen derzeit in Israel liegenden palästinensischen Flüchtlingslager), Isawiya (hinter der hebräischen Universität an den Nordabhängen des Ölberges gelegen) und Jebel Mukhabar; außerdem das moslemische und das christliche Altstadtviertel (während das jüdische und das armenische bei Israel blieben) und freien Zugang zum Tempelberg. Dieser wiederum würde wohl wie bisher von der islamischen Religionsbehörde Waqf beherrscht, genauso wie die Grabeskirche von den christlichen Kirchen. De facto würde sich in Bezug auf die Heiligen Stätten wohl kaum etwas ändern, doch de jure könnte sich eine Regelung ergeben, die derjenigen des Vatikanstaates in Rom entspricht.

Arafats kompromisslos scheinendes Nein zu diesem Vorschlag war zu erwarten. Er beharrt auf vollständiger palästinensischer Souveränität für das ganze arabische Ostjerusalem einschließlich des Tempelberges und der gesamten Altstadt, also auf einer erneuten Teilung der Stadt wie schon zwischen 1948 und 1967. Zudem fordert er nach wie vor das Recht, sein Jerusalem zur Hauptstadt des künftigen Staates Palästina zu machen. Die arabischen Staaten machen jetzt schon mächtig Druck, und wenn Arafat einmal die Isolierstation Camp David verlassen hat, wird er in Kairo, Riad und anderen arabischen Hauptstädten antraben und seine Stellung erklären, allfällige Konzessionen mühsam verteidigen müssen. Das entscheidende Wort wird Ägyptens Hosni Mubarak sprechen, der schon vor Camp David das spezifische Problem des Tempelberges als Kern des Streitfalles Jerusalem ausgemacht hat.

Jerusalem ist für die Juden die heiligste aller Städte, für die Moslems nach Mekka und Medina zwar nur die drittheiligste, aber von gleicher Wichtigkeit wie die beiden anderen. Von hier, genau vom Felsen auf dem Tempelberg, über den sich heute die goldene Kuppel der Omar-Moschee (Felsendom) dehnt, in Nähe der heiligen al-Akza-Moschee, soll Mohammed auf seinem Pferd in den Himmel aufgestiegen sein.

Mubarak riet trotz dieser religiösen Bedeutung dem ihn vor dem Abflug nach Camp David aufsuchenden israelischen Regierungschef Barak, nicht die "islamische Lösung" des Problemes anzustreben, also keine Vatikanstaat-Variante auszuarbeiten, sondern es Arafat zu erlauben, die palästinensische Flagge auf dem Tempelberg zu hissen. Obwohl das rote Dreieck in der Palästina-Fahne verschwindend klein ist im Vergleich zu den grünen, weißen und schwarzen Farbstreifen, würde diese für die israelische Opposition nationaler und religiöser Provenienz wie das berühmte rote Tuch wirken, also sie zum Kampf auf Tod und Leben aufreizen.

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