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Politik: Nahost-Krise: Ein bisschen Frieden - Ehud Barak hat das Ultimatum an die Palästinenser verlängert

Dies ist der Orient, im Guten wie im Schlechten. Ein kleiner Funken wie der Besuch Scharons auf dem Tempelberg reichte, um einen Flächenbrand auszulösen.

Dies ist der Orient, im Guten wie im Schlechten. Ein kleiner Funken wie der Besuch Scharons auf dem Tempelberg reichte, um einen Flächenbrand auszulösen. Und nun genügen zwei, drei vage Nachrichten, um Hoffnung auf eine rasche Fortsetzung des Friedensprozesses zu wecken. Schon wird über einen neuen Nahost-Gipfel in den nächsten Tagen gesprochen - obwohl das von den USA vermittelte Treffen in Paris doch eben erst gescheitert ist. Aber war es nicht schon oft so zwischen Israelis und Arabern? Je brutaler der Gewaltausbruch, je größer das Entsetzen über neues Blutvergießen, desto stärker anschließend der Druck, Kompromissbereitschaft zu zeigen.

Einiges wird aufgeboten, um Ehud Barak und Jassir Arafat wieder an einen Tisch zu bringen. UN-Generalsekretär Kofi Annan und Russlands Außenminister Igor Iwanow reden begütigend auf Arafat ein, die USA auf die Israelis. Prompt gibt es erste Zugeständnisse: Barak verlängert sein Ultimatum.

Doch es ist nur ein Minimalkonsens, der sich da abzeichnet. Es ist lediglich die Übereinstimmung, dass beide, Arafat und Barak, längere Unruhen verhindern wollen, weil sie außer Kontrolle geraten und sich zum nächsten Nahost-Krieg ausweiten könnten. Davon immerhin wollen sie die Scharfmacher auf beiden Seiten abhalten. Das ist nicht wenig, gemessen an den vielen Toten der jüngsten Tage, den Bildern erschossener Kinder, brennender Moscheen und Synagogen, die neuen Hass tief in viele Herzen eingepflanzt haben; einen solchen Angriff auf die religiösen Symbole hat es nicht gegeben, seit über Frieden verhandelt wird.

Aber dieser kleinste gemeinsame Nenner reicht nicht, um einen Friedensgipfel zu inszenieren. Dafür müsste mehr geschehen: die glaubwürdige Bereitschaft zu Fortschritten bei den verbliebenen Streitfragen - vor allem Jerusalem, der Aufsicht über die heiligen Stätten, der Aufteilung der Souveränität.

Nur diese Aussicht könnte den scheidenden US-Präsidenten Bill Clinton dazu bringen, sich nochmal voll ins Zeug zu legen. Ein mit seinem Namen verbundener Erfolg, das ist eines der drei großen Ziele, die er sich für das letzte Amtsjahr vorgenommen hatte - neben dem Wunsch, Al Gore als Nachfolger zu installieren und seine Frau Hillary als Senatorin für New York. Doch Arafat und Barak sind weit von einem Konsens entfernt, der ihnen schmerzhafte Zugeständnisse abverlangt. Zur Zeit verbindet sie nur der Minimalkonsens: Kriegsverhinderung.

Arafat und Barak sind gefangen in ihren eigenen Schuldzuweisungen, besonders Arafat. Wenn er die palästinensische Gewalt ebenso plötzlich beenden könnte, wie sie ausgebrochen war, dann drängte sich erst recht die Frage auf: Warum nicht früher? Hat er die neue Intifada womöglich doch provoziert - aus zynischem Kalkül, Israel Zugeständnisse in der Jerusalem-Frage abzupressen? Auch Barak muss man fragen: Hat er die Siedler nicht mehr unter Kontrolle? Ist er politisch so schwach, dass er die israelische Polizei nicht zwingen kann, die israelischen Araber, die immerhin Staatsbürger sind, wirksam zu schützen - und das, noch dazu, an Jom Kippur?

Andererseits: Was ist Arafat als Partner für Israel überhaupt noch wert, wenn er keinen Einfluss mehr hätte auf die Gewaltbereiten? Und was Barak für die Palästinenser, wenn er nur noch einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum haben sollte? Es muss etwas geschehen, es wird etwas geschehen. Aber mehr als ein langsames Abflauen der Gewalt, mehr als ein bisschen Frieden - das wäre ein Wunder. Auch im Orient.

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