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Politik: Nahost-Krise: Vom Bürgerkrieg zum Krieg

Ist der Friedensprozess noch zu retten? Das ist die Frage von gestern.

Ist der Friedensprozess noch zu retten? Das ist die Frage von gestern. Jetzt geht es nur noch darum, auf welchem Niveau der Krieg zwischen Israelis und Palästinensern weitergeführt wird. Mit dem Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah, die sich in Gewahrsam von Arafats Polizei befanden, hat die palästinensische Gewalt eine neue Dimension erreicht. Das war eine Kriegserklärung - die Israelis haben es genauso verstanden. Und antworten mit massiver Vergeltung.Das war in Süd-Libanon so, jetzt ist es nicht anders. Israel kann es sich nicht erlauben, Zweifel an seiner militärischen Stärke aufkommen zu lassen.

Und diesmal wird Premier Barak wohl die volle Rückendeckung der Amerikaner haben. Zwar haben diese vor wenigen Tagen der Uno erlaubt, die Brutalität der israelischen Armee gegenüber den Palästinensern zu rügen; doch falls sich die Explosion auf dem US-Kriegsschiff als Anschlag im Zusammenhang mit der Nahostkrise herausstellt, ist auch die US-amerikanische Regierung zu Hause unter Druck. Wie kann sie Verständnis für die Palästinenser aufbringen, wenn deren Sympathisanten amerikanische Soldaten ermorden?

Die Lynchmorde von Ramallah verändern die Fronten in der Auseinandersetzung. Bisher sah sich die israelische Armee palästinensischen Demonstranten gegenüber, die von ihrer Führung nicht zurückgehalten wurden. Nun macht sie zu Recht die palästinensische Autonomiebehörde für den Tod der Soldaten verantwortlich: Arafats Sicherheitskräfte, in deren Gewahrsam sich die beiden Israelis befanden, haben das Leben der zwei Soldaten nicht beschützt. Es ist zweitrangig, dass die palästinensischen Polizisten die Israelis zunächst zu ihrem eigenen Schutz vor der aufgebrachten Menschenmenge in das Polizeigebäude brachten. Israel hat bereits mit Luftangriffen auf das Hauptquartier Arafats in Ramallah und Gebäude der Autonomiebehörde in Gaza geantwortet. Das ist die neue Lage. Jetzt stehen sich die israelische Armee und die Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde direkt gegenüber. Die Polizisten Arafats sind bewaffnet - im Gegensatz zu den meist Steine werfenden Demonstranten. Und das muss nicht das Ende der Eskalation sein.

Die Lynchmorde sind ausgerechnet in Ramallah geschehen. Das bestätigt die Vermutung, dass Palästinenser-Präsident Jassir Arafat nur noch bedingt Kontrolle über den Gewaltausbruch seines Volkes hat. Ramallah ist eine Art inoffizielle Hauptstadt der Palästinenser: Die Stadt beherbergt das Parlament und zahlreiche Ministerien der Autonomiebehörde. Wenn Arafats Sicherheitskräfte sogar hier die eigenen Leute nicht mehr in Schach halten können, zeigt das, wie begrenzt seine Macht inzwischen ist. Eine Entschuldigung, dass Arafat die Morde nur als "bedauernswert" abtut, ist das nicht. Das ist ein Signal, dass er nicht mehr an Verhandlungen glaubt. Seine Strategie, begrenzte Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen, ist gescheitert.

Die Palästinenser hatten nach dem provokativen Besuch Sharons auf dem Tempelberg und dem Tod des palästinensischen Jungen vor laufenden Fernsehkameras viele Sympathien auf ihrer Seite - auch international. Das ist seit gestern vorbei. Bisher lautete die tägliche Nachricht aus Nahost: Die Friedensverhandlungen werden fortgesetzt. Zukünftig wird es vielleicht heißen: Die Verhandlungen um einen Waffenstillstand werden fortgesetzt.

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