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Nahost: Minister im Dilemma

Die Europäer kommen um eine Entscheidung über ihr Verhältnis zur neuen Palästinenserregierung der radikal-islamischen Hamas-Bewegung nicht herum. Es stehe ernst um den Friedensprozess.

Salzburg - Drei Seiten reichten für das Dilemma aus. Kurz und bündig, aber dennoch mit vielen unerfreulichen Zahlen versehen, flatterte den EU-Außenministern zu Beginn ihres informellen Treffens in Salzburg ein unscheinbares Arbeitspapier mit dem schlichten Titel «Unterstützung der EU für die Palästinenser» auf den Tisch. Darin legten EU-Chefdiplomat Javier Solana und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner den Finger auf eine schwärende Wunde: Die Europäer kommen um eine Entscheidung über ihr Verhältnis zur neuen Palästinenserregierung der radikal-islamischen Hamas-Bewegung nicht herum.

Solana und Ferrero-Waldner legten Punkt für Punkt dar, dass die Europäische Union keine vernünftige Chance hat, an der Palästinenserbewegung vorbei nennenswerte Finanzhilfe für die palästinensische Bevölkerung zu leisten. Die aber ist bitter nötig, um eine dramatische Zuspitzung der Lage im Nahen Osten zu verhindern - woran Europa ein starkes Interesse hat. Somit wird eine politische Entscheidung über das Verhältnis der EU zur Hamas - die immerhin auf der EU-Liste der Terrororganisationen steht - unausweichlich.

Bisher kein Entgegenkommen

Die Außenminister waren denn auch in der Mozartstadt ganz auf Molltöne in Sachen Nahost eingestimmt. Einig war man sich, dass die drei wesentlichen Forderungen der EU an die Hamas - Absage an Gewalt und Terror, Anerkennung des Existenzrechts Israels und Entwaffnung der bewaffneten Gruppen - unverändert eine Vorbedingung für künftige Finanzhilfe seien. «Bisher ist überhaupt kein Entgegenkommen in einem der drei Kriterien erkennbar», konstatierte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Ufer der Salzach betrübt. Es stehe «ernst» um den Friedensprozess.

Zuvor hatten Solana und Ferrero-Waldner mit dem 3-Seiten-Papier in der Hand vorgetragen, dass auch eine kürzliche EU-Geldspritze von 121,7 Millionen - demonstrativ für die Übergangsregierung und nicht die neue Hamas-Verwaltung von Ismael Haniyeh bestimmt - «nicht ausreichen könnte, um die Lage angesichts des Ausbleibens anderer Zuwendungen zu stabilisieren». Vor allem das Einfrieren von Zolleinnahmen durch Israel und das Aussetzung von US-amerikanischen Hilfen machten rasches Handeln nötig.

Ob bei humanitärer Hilfe («Die Hälfte erfordert die Mitwirkung der Palästinenserbehörde»), bei Hilfe über die UN-Palästinahilfsagentur UNRWA («Eine enge und ständige Zusammenarbeit mit der Palästinenserbehörde ist erforderlich»), bei Geldern an Nicht- Regierungsorganisationen («Viele haben bereits direkte oder indirekte Verbindungen mit Hamas»): Die EU könne nur Geld an die Bevölkerung leiten, wenn sie mit der Regierung zusammen arbeite. Und erst recht bei sozialer und wirtschaftlicher Hilfe, die knapp 50 Prozent der jährlich rund 500 Millionen Euro EU-Zuweisungen ausmacht: Hier liefen sogar 90 Prozent direkt oder indirekt über die Regierung.

Hoffen auf ein Wunder

So hoffen die EU-Außenminister weiterhin auf ein Wunder in Ramallah, dem Sitz der Palästinenserbehörde. Wenn sich die Hamas vom Terror lossage, so die auch in Salzburg wiederholte Aufforderung, dann sei eine Zusammenarbeit möglich. «Völlig klar ist doch, dass dies keine luftigen Erklärungen sein können», sagte Steinmeier. Und in den EU-Kulissen wird bereits heftig diskutiert, wie die Europäer der Hamas die Politikwende um 180 Grad erleichtern könnten.

Möglicherweise könnte der Friedensplan, den die Arabische Liga im März 2002 auf Vorschlag des saudischen Kronprinzen Abdallah beschloss, ein geeignetes Vehikel sein. Der sieht eine gegenseitige Anerkennung von Israel und den arabischen Staaten vor - bei Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und mit Ost-Jerusalem als palästinensischer Hauptstadt. Der Plan ist von Israel als «inakzeptabel» abgelehnt worden und soll auch, so versichern EU- Diplomaten, keineswegs zum neuen EU-Friedensplan werden. Doch wenn die Hamas wenigstens diesen arabischen Plan unterstützte, so könne dies möglicherweise als Andeutung einer Bereitschaft zur Anerkennung Israels interpretiert werden - lautet ein Gedankenspiel. Doch offiziell ist das kein Thema: «Wir werden über so etwas nicht spekulieren, solange die Hamas ihre Regierung nicht gebildet und ihre Politik nicht formuliert hat», sagt ein Diplomat. (Von Dieter Ebeling, dpa)

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