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Nahverkehrs-Kürzungen: SPD-Chef Platzeck will vermitteln

Angesichts des verschärften Streits um drastische Kürzungen der Nahverkehrsmittel will der neue SPD-Chef Matthias Platzeck nach Kompromissen suchen.

Berlin - «Da müssen wir jetzt eine vernünftige Lösung finden», sagte der brandenburgische Regierungschef am Freitag am Rande einer Ost-Ministerpräsidenten-Konferenz. «Am 1. Januar wird nicht der Schienennahverkehr zusammenbrechen.» Jedoch sei die Haushaltssanierung unentbehrlich.

Bayern sucht indessen im Bundesrat Mehrheiten, um die von den Haushaltsexperten der großen Koalition geplanten Kürzungen für den öffentlichen Personennahverkehr von 3,1 Milliarden binnen vier Jahren bis 2009 zu verhindern. Derzeit führe die CSU-Staatsregierung Gespräche auf Länderebene, um das Vorgehen im Bundesrat auszuloten, sagte eine Sprecherin des Münchner Verkehrsministeriums auf Anfrage. Der Freistaat stehe mit seiner Kritik nicht allein da.

Vor weiteren Entscheidungen des Bundes über diese Kürzungspläne sollen nun zunächst die Länder einbezogen werden. «Das ist eine Angelegenheit, die der Finanzminister mit den Ländern gemeinsam besprechen wird», schaltete sich der neue Bundesverkehrsminister, Wolfgang Tiefensee (SPD), erstmals in den Disput ein. «Wir sind uns einig - die Länder und die Bundesregierung - dass wir einen Nahverkehr brauchen, der eine hohe Qualität besitzt», sagte er bei der Konferenz in Berlin. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sagte: «Wir haben von dem Bundesverkehrsminister erste Auskünfte bekommen. Aber ich will eine Bewertung erst dann vornehmen, wenn ich weiß, was die Bundesregierung tatsächlich plant.»

Platzeck hatte am Vorabend spürbare Abstriche von den Nahverkehrs- Milliarden abgelehnt. Brandenburg habe mit dem Geld ein attraktives Schienennahverkehrssystem aufgebaut. «Und wir wollen auch nicht, dass daran irgendwelche spürbaren substanziellen Abstriche gemacht werden.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), sowie der CDU-Chef von Rheinland-Pfalz, Christoph Böhr, wiesen die Proteste aus den verschiedenen Ländern zurück. Röttgen sagte im ZDF: «Wir müssen die Betroffenen daran erinnern, dass sie es mitverhandelt haben und mit für richtig befunden haben.» Strikt gegen solche Kürzungen sind Bayern, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Der Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) bekräftigte seine Ablehnung. «Wenn sich der Bund und die Länder gegenseitig die notwendigen Aufgaben zuschieben, ist das keine Sparmaßnahme», sagte Beck in Berlin. Sein Amtskollege in Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), warnte im Deutschlandfunk davor, die ländliche Nahverkehrsversorgung zu gefährden.

Im Koalitionsvertrag ist nur von «Korrekturen» bei den Regionalisierungsmitteln die Rede. Bisher umfassen sie bundesweit etwa 6,8 Milliarden Euro. Damit bestellen die Länder ihre Züge, S-Bahnen, zum Teil auch Busse und finanzieren daraus weitere Ausgaben. Die Haushaltsexperten wollen die Mittel 2006 um 350 Millionen Euro kürzen. Danach erhöht sich der Einsparbeitrag auf 700 Millionen Euro im Jahr 2007, auf 922 Millionen 2008 und auf gut eine Milliarde 2009. Nach Berechnungen des Bahnlobby-Verbandes «Allianz Pro Schiene» würden bei 15-prozentiger Kürzung von den gut eine Milliarde Euro Kürzungen von 2009 gut 435 Milliarden Euro auf die großen Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen entfallen. (tso/dpa)

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