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Nato-Luftangriff: Kundus-Affäre: Angehörige werden entschädigt

Die Bundesregierung will die Angehörigen der zivilen Opfer des umstrittenen Nato-Luftschlags im afghanischen Kundus von Anfang September entschädigen. Bei dem Luftschlag waren über hundert Menschen ums Leben gekommen, darunter auch etliche Zivilisten.

Drei Monate nach dem verheerenden Luftangriff in Afghanistan will die Bundesregierung Angehörige von zivilen Opfern nun möglichst schnell entschädigen. Das machten Regierungssprecher Ulrich Wilhelm und der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, am Montag in Berlin deutlich. Wilhelm reagierte ferner auf CSU-Chef Horst Seehofer, der sich skeptisch zu einer möglichen Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan geäußert hat. Einheitliche Linie von Koalition und Bundesregierung sei, für eine Entscheidung über mehr Soldaten die internationale Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London abzuwarten.

Dienst teilte mit, das Verteidigungsministerium habe sich am Montag an den deutsch-afghanischen Anwalt der Angehörigen von Opfern, Karim Popal, gewandt. Der aus Bremen stammende Anwalt hat nach eigenen Angaben 78 Vollmachten von Hinterbliebenen des Luftschlags vom 4. September, bei dem nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen getötet und verletzt worden waren - darunter viele Zivilisten. Ein deutscher Oberst hatte die Bombardierung zweier von Taliban entführter Tanklastwagen im nordafghanischen Kundus angeordnet.

Dienst sagte, es werde geprüft, ob es im Sinne der Angehörigen außergerichtlich eine Lösung geben könne, um einen möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit zu vermeiden. "Fakt ist, es wird eine Lösung geben." Auf die Frage, wie man dabei zwischen zivilen Opfern und und radikalislamischen Taliban unterscheiden wolle, sagte Dienst: "Das werden die Verhandlungen mit sich bringen." Die Strategie sei aber nicht, möglichst wenig zivile Opfer herauszuhandeln.

Anwalt Popal bezeichnete die zugesagte Entschädigung als Erfolg. "Unser Ziel ist, dass sie eine langfristige Entschädigung erhalten", sagte er in Bremen. Das könne zum Beispiel ein Fonds sein, der zumindest das Existenzminimum der Verletzten und der Familien der Toten sichere. "Es reicht nicht, denen 1000 oder 2000 Euro in die Hand zu drücken." Am Mittwoch will Popal erneut nach Afghanistan reisen, um sich mit seinen Mandanten zu treffen. Der Anwalt hatte zuvor erklärt, er hoffe auf eine außergerichtliche Einigung mit der Bundesregierung. Scheitere dies, wolle er auf Schadenersatz wegen fehlerhaften und grob fahrlässigen Verhaltens der Bundeswehr klagen.

Nach der Neubewertung des Angriffs durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte sich Popal aber bessere Chancen für eine Entschädigung ausgerechnet. Guttenberg hatte den Angriff zunächst als militärisch angemessen bezeichnet und diese Auffassung in der vorigen Woche revidiert, nachdem kritische Berichte der Bundeswehr auftauchten, die er nach eigenen Angaben zuvor nicht gekannt hatte.

Dienst sagte, die Bundeswehr habe selbst den Anspruch, sich um die Angehörigen zu kümmern. Zu klären sei dabei auch, ob neben den von Popal vertretenen Hinterbliebenen weitere Menschen berechtigte Ansprüche hätten. Die afghanische Regierung zahlte bereits Entschädigungen: je 2000 US-Dollar für Angehörige von Getöteten, 1000 US-Dollar für solche von Verletzten.

Unterdessen kritisierten auch Unionspolitiker Äußerungen von CSU-Chef Seehofer in der "Bild"-Zeitung, wonach er "wenig Sympathie" für eine Erhöhung der Zahl der deutschen Soldaten in Afghanistan habe. "Wir werden nicht jetzt erst Vorfestlegungen betreiben, weder in der Ankündigung, dass es mehr Soldaten bedarf, noch dass es sie auf keinen Fall geben kann", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz (CDU) sagte, eine "notwendige Truppenstärke" sei nötig, um eine Erneuerung der Taliban zu verhindern und aufbauwilligen Afghanen zu helfen.

Regierungssprecher Wilhelm sagte, bislang sei es in der schwarz-gelben Koalition "völlig unbestritten" gewesen, dass die Konferenz in London abgewartet werde. Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Politiker Rainer Stinner in der "Mitteldeutschen Zeitung". In der vergangenen Woche hatte der Bundestag den Afghanistan-Einsatz um ein Jahr verlängert. Die Obergrenze von 4500 Soldaten wurde nicht verändert. US-Präsident Barack Obama will die in Afghanistan stationierten US-Truppen um 30.000 Mann aufstocken und einen Abzug im Sommer 2011 einleiten. (smz/dpa)

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