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Naturschutz: Mehr für die Meere

Bis zum 30. Mai wollen sich 190 Staaten auf Kriterien für die Ausweisung von Schutzgebieten einigen. Bisher sind lediglich 0,6 Prozent der Meeresfläche geschützt - und das meistens auch nur auf dem Papier.

21 Billionen US-Dollar im Jahr - das ist der vorsichtig geschätzte ökonomische Nutzen der Meere für die Menschheit im Jahr. Allein der Wert des weltweiten Fischfangs belief sich 2004 auf knapp 85 Milliarden US-Dollar. 40 Millionen Menschen arbeiten in der Fischerei. Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt lag im Jahr 2008 bei 283,2 Milliarden Euro. Mit diesen Zahlen beeindruckte Christian Neumann, Meeresexperte des World Wide Fund for Nature (WWF), am Montag am Rande des Naturschutzgipfels der Vereinten Nationen (CBD) in Bonn.

Allein den monetären Nutzen für den Küstenschutz von Korallenriffen gegen die Brandung schätzt der WWF auf neun Milliarden Dollar im Jahr. Die Salzwiesen an der deutschen Nordsee bringen für den Küstenschutz jährlich 1,1 Millionen US-Dollar, bei Kosten von 800.000 Dollar für ihre Bewirtschaftung.

Bis zum 30. Mai wollen sich die knapp 190 Vertragsstaaten auf Kriterien für die Ausweisung von Meeresschutzgebieten auf hoher See einigen. Bisher sind lediglich 0,6 Prozent der Meeresfläche geschützt – und das meistens auch nur auf dem Papier.

Bis zum Jahr 2012 soll es ein weltweites Netz von Meeresschutzgebieten geben, das haben die Vertragsstaaten der CBD (Konvention für den Schutz der biologischen Vielfalt) schon auf ihrem Gipfel vor vier Jahren 2004 beschlossen. Zwischen 20 und 30 Prozent der Weltmeere sollen so unter Schutz gestellt werden. Die Kosten dafür lägen bei 5 bis 19 Billionen Dollar im Jahr.

Bisher gelingt es der Weltgemeinschaft aber noch nicht einmal, die illegale Fischerei zu kontrollieren. Weltweit werden jedes Jahr vier bis neun Milliarden US-Dollar mit illegal gefangenen Fischen verdient. Bisher ist es noch nicht einmal gelungen, moderne Hilfsmittel wie etwa die Satellitenortung GPS für die Überwachung der Meere zu nutzen, beklagen Naturschützer.

Dabei sind schon heute 75 Prozent der Weltfischbestände voll ausgenutzt oder bereits überfischt, hat die Welt-Agrarorganisation FAO errechnet. „Geht die Überfischung ungebremst weiter, wird es 2050 keine kommerzielle Fischerei mehr geben“, hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bei seiner Eröffnungsrede des CBD-Gipfels vor einer Woche gewarnt. Christian Neumann sagt: „Der wirtschaftliche Wert der Ozeane ist enorm, wenngleich letztlich unschätzbar. Wir laufen aber Gefahr, viele Arten zu verlieren, bevor wir ihre wertvollen Fähigkeiten überhaupt erforschen können.“

Karen Helen Wiltshire, Leiterin der Biologischen Anstalt Helgoland, die zum Alfred-Wegener-Institut gehört, nennt als die drei wesentlichen Treiber der zu beobachtenden Veränderung die Fischerei, den hohen Nähr- und Schadstoffeintrag aus den Flüssen und den weltweiten Klimawandel.

Auf der Insel Helgoland haben die Forscher schon deutliche Veränderungen beobachtet. Seit dem Jahr 2000 kam die Algenblüte Jahr für Jahr zu früh. Die kleinen Krebse, die wiederum von Fischen und Quallen gefressen werden, kommen zu spät, andere Organismen haben die Algen dann schon deutlich dezimiert. Das Ergebnis dieser Verschiebung ist inzwischen unübersehbar: Es gibt jetzt in der Nordsee rund um Helgoland das ganze Jahr über Quallen.

Ja, die Quallen lösen mehr und mehr die Fische in der Nahrungskette ab, berichtete Karen Helen Wiltshire vor kurzem dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), bei einem Besuch ihres Instituts. Die Forscher finden mehr und mehr wärmeliebende Arten rund um die Nordseeinsel. Seit zwei Jahren sei auch die pazifische Auster eingewandert „und betoniert das Wattenmeer zu“, sagt Wiltshire. „Für die menschliche Diversität ist das eine Tragödie“, sagt die Wissenschaftlerin, denn eine kommerzielle Fischerei sei auf der Insel inzwischen kaum noch möglich.

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