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Neonazi-Demonstration: Aufmarsch oder Abgesang

Das jahrelange juristische Tauziehen um Kundgebungen zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß in Wunsiedel (Bayern) geht dem Ende entgegen. Ein Gericht entscheidet in einem Grundsatzurteil über Rechtmäßigkeit des Verbots einer Neonazi-Demonstration.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wollte am Mittwoch sein Urteil sprechen, bei Redaktionsschluss war die Verhandlung noch im Gange. Der 6. Senat musste entscheiden, ob eine für den 20. August 2005 in Wunsiedel geplante Neonazi-Demonstration, als deren Veranstalter der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger auftreten wollte, zu Recht verboten wurde. Im Mittelpunkt steht die Verschärfung des Versammlungsgesetzes in Kombination mit der Ergänzung des Strafgesetzbuchparagrafen 130, der Volksverhetzung ahndet. Es wird ein Grundsatzurteil dazu erwartet, ob die umstrittene Gesetzesänderung zulässig war. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat vermutlich weitreichende Bedeutung für künftige juristische Auseinandersetzungen um rechtsextreme Aufmärsche.

Das Landratsamt Wunsiedel hatte sein Verbot auf den neuen Absatz 4 des Volksverhetzungsparagrafen 130 gestützt. So war es 2005 gelungen, die jahrelange Serie großer rechtsextremer Demonstrationen in der Kleinstadt, in der Heß begraben liegt, zu beenden. Der Bundestag hatte zuvor den Absatz 4 beschlossen. Er lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“

Das Verwaltungsgericht Bayreuth und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigten das vom Landratsamt Wunsiedel ausgesprochene Verbot und wiesen die Klage des Neonazi-Anwalts Rieger ab. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das Verbot – allerdings nur im Eilverfahren. „Es hat sich ausdrücklich nicht zu der Rechtmäßigkeit des Gesetzes geäußert“, schilderte der Vorsitzende Richter Franz Bardenhewer des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts die Ausgangsposition zu Beginn der Verhandlung. Die Richter in Karlsruhe hatten zudem den Leipziger Kollegen für das Hauptsacheverfahren zahlreiche kritische Fragen mit auf den Weg gegeben.

Im Mittelpunkt steht die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes) und eine Abwägung der Interessen, die Einschränkungen dieser Grundrechte rechtfertigen. Die zweite, fast noch schwierigere Frage lautet: Erfüllte die geplante Heß-Kundgebung die Kriterien des Volksverhetzungsparagrafen? „Nur wenn beide Fragen zu bejahen sind, hat das Verbot Bestand“, betonte Bardenhewer.

In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass die Leipziger Richter vor allem bei der zweiten Frage Schwierigkeiten sehen. Es sei zu klären, wie der Aufmarsch von einem durchschnittlich gebildeten Betrachter wahrgenommen werde. Unterdessen hat Rieger für Mitte August wieder einen „Gedenkmarsch“ zum Todestag von Heß angemeldet. Das Landratsamt will die braune Demo auch diesmal verhindern. fan/dpa

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