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Aus der JVA Hünfeld baute ein Gefangener ein Netzwerk von Rechtsextremen auf.

© dpa

Neonazi-Netzwerk in Gefängnissen: Der Verfassungsschutz kämpft mit der nächsten Panne

Wie kann es sein, dass der Verfassungsschutz das rechte Netzwerk, das in hessischen Gefängnissen entstand, übersah? Der Gründer warb immerhin mit der Anzeige in einer Zeitung - die noch dazu regelmäßig vom Verfassungsschutz gefilzt wird.

Wiesbaden - Da wirbt in der Oktoberausgabe 2012 des Magazins „Biker News“ ein den Behörden bekannter Rechtsextremist unter seinem richtigen Namen, Bernd Tödter, per Anzeige für einen Verein, der Gesinnungsgenossen im Gefängnis helfen soll. Sie müssten nur, wie er, für „die alten Werte“ stehen. Als Postanschrift nennt Tödter die JVA Hünfeld. Dort sitzt er ein. Er hat einen Obdachlosen totgeprügelt und danach von „unwertem Leben“ gefaselt, er hat Menschen bedroht, weil sie nicht Deutsche waren. Der Mann gilt als Drahtzieher in der Neonazi-Szene, auch mit Kontakten zum NSU. Das Logo des Vereins ziert ein Adler, der eine 14 in den Krallen hält. Die Zahl steht für den ersten und den vierten Buchstaben des Alphabets, für A und D wie „Aryan Defense“, übersetzt „arische Abwehr“. Fachleute hätten das dechiffrieren können.

Tatsächlich filzen die hessischen Verfassungsschützer die „Biker News“ regelmäßig auf Hinweise über Biker-Aktivitäten in der Organisierten Kriminalität, die Anzeige übersehen sie jedoch. Erst als im Februar das „Neue Deutschland“ über ein entstehendes rechtes Netzwerk berichtet, wacht der Verfassungsschutz auf. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nun wegen des Verdachts, dass Tödter möglicherweise die verbotene HNG (Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene) wieder aufleben lassen wollte. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) hat eine Untersuchung angekündigt.

Rheins Kabinettskollege, Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP), hatte vor einer Woche noch ein anderes Bild gezeichnet: „Rechtzeitig und erfolgreich“ habe die Justiz den Aufbau eines rechtsextremen Netzwerks in deutschen Haftanstalten „gestört“. Bei Zellendurchsuchungen sei belastendes Material gesammelt, der Hauptverdächtige in eine andere Anstalt verlegt, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei eingeschaltet, die anderen betroffenen Bundesländer informiert worden. Kein Wort über Pannen und Versäumnisse. Doch das Bild einer wachsamen Justiz hat längst Risse bekommen. Bis in Regierungskreise fragt man in Wiesbaden inzwischen, wie konnte ein einschlägig bekannter Aktivist aus der Haftanstalt eine Anzeige schalten? Wieso sind die Aktivitäten erst mit einer Verzögerung von rund einem halben Jahr aufgeflogen? Weshalb antwortete der Justizminister Hahn noch im November 2012 auf eine Anfrage der Landtagsfraktion der Linken, es gebe keinerlei Hinweise auf die Gründung eines solchen Netzwerks?

In seiner Anzeige hatte Tödter seine Gesinnungsgenossen ausdrücklich gewarnt, in der JVA Hünfeld würden „alle ein- und ausgehenden Schreiben überwacht“. Da hat er die hessische Justiz offenbar überschätzt. Die hessische Landtagsopposition beklagt, nach den eklatanten Versäumnissen im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie hätten die Behörden in Hessen offenbar erneut versagt. Die Linken forderten beide Minister zum Rücktritt auf. Christoph Schmidt Lunau

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