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Neonazi-Terror: Zwei weitere mutmaßliche NSU-Komplizen kommen frei

Zwei weitere mutmaßliche Komplizen der NSU-Terrorgruppe kommen auf freien Fuß. Die Bundesanwaltschaft beantragte die Aufhebung ihrer Haftbefehle.

Von Frank Jansen

Die Bundesanwaltschaft zieht sich in den Verfahren gegen mutmaßliche Komplizen der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ auf weniger angreifbar erscheinende Positionen zurück. Vier Tage nach der vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordneten Entlassung von Holger G. (38) aus der Untersuchungshaft hat die Bundesanwaltschaft nun selbst zwei weitere Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt. Am Dienstag konnten Carsten S. (32) und Matthias D. (36) ihre Gefängniszellen verlassen.

Beamte der Eliteeinheit GSG 9 hatten Carsten S. Anfang Februar in Düsseldorf festgenommen, Matthias D. wurde bereits im Dezember 2011 in Johanngeorgenstadt (Sachsen) von der Polizei abgeführt. Nun befinden sich nur noch zwei mutmaßliche Helfer des NSU sowie die Überlebende der Thüringer Terrorzelle, Beate Zschäpe, in Untersuchungshaft.

Mit den Anträgen, die Haftbefehle gegen Carsten S. und Matthias D. aufzuheben, und der damit automatisch verbundenen Freilassung der Männer kommt die Bundesanwaltschaft offenbar von ihr erwarteten Beschlüssen des BGH zuvor. Im Fall Carsten S. halten die Ermittler den Beschuldigten jedoch weiter für schwer belastet. Carsten S. soll mit dem nach wie vor in U-Haft sitzenden Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben die Pistole der Marke Ceska besorgt haben, mit der die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von 2000 bis 2006 neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft erschossen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Carsten S. unverändert vor, sich „wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen strafbar gemacht zu haben“, wie es am Dienstag in einer Mitteilung der Behörde hieß. Der Beschuldigte kam dennoch frei, da aus mehreren Gründen keine Fluchtgefahr mehr zu erkennen ist. Carsten S. hatte umfassend gestanden und sich schon vor mehr als zehn Jahren von der rechten Szene gelöst. Die Bundesanwaltschaft erhielt zudem am Dienstag den Bericht eines psychiatrischen Sachverständigen, der bei Carsten S. empfiehlt, nach Jugendstrafrecht zu urteilen. Der Beschuldigte war zur Zeit der Beschaffung der Ceska, Ende 1999 oder Anfang 2000, erst 19 Jahre alt. Das Jugendstrafrecht kann auch bei Heranwachsenden bis zum Alter von 20 Jahren angewandt werden. Im Unterschied zum „allgemeinen“ Strafrecht ist die Höchststrafe auf zehn Jahre begrenzt.

Der jetzt ebenfalls freigekommene Matthias D. soll den NSU in zwei Fällen unterstützt haben. Er ist laut Bundesanwaltschaft dringend verdächtig, zwei Wohnungen in Zwickau (Sachsen) gemietet zu haben, in denen das untergetauchte Trio unter falschen Namen leben konnte. Eine Wohnung soll D. im Mai 2001 gemietet haben, die andere im März 2008. Außerdem soll D. der Bande ermöglicht haben, sich mit seinem Namen zu tarnen.

Auch diese Vorwürfe hält die Bundesanwaltschaft aufrecht. Dennoch sah sie angesichts der Gründe, die der BGH am Freitag für die Freilassung von Holger G. genannt hatte, kaum noch Chancen für einen Verbleib von D. in Untersuchungshaft. Der BGH hatte, wie berichtet, Holger G. zugebilligt, er könnte von den Morden und weiteren Gewalttaten des NSU nichts mitbekommen haben.

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