zum Hauptinhalt

Politik: Neonazis bedrohten auch Politiker

SPD-Spitzenkandidat Maget soll ausspioniert worden sein / Jüdische Einrichtungen reagieren auf Bedrohung

München/Berlin (dpa/AP/Ch.B./miw). Der SPDSpitzenkandidat für die bayerische Landtagswahl, Franz Maget, ist nach den Worten von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) möglicherweise Ziel eines Anschlags der in München verhafteten Neonazis gewesen. Es gebe Hinweise, dass Maget von Neonazis ausspioniert worden sei, sagte Schily am Montag in München. „Es ist ein Dokument aufgefunden worden, aus dem sich das ergibt.“

Die Münchener Polizei hatte in der vergangenen Woche nach Angaben der Bundesanwaltschaft vermutlich mehrere Anschläge mit rechtsextremem Hintergrund vereitelt. Es wurden bei Neonazis mindestens 1,7 Kilogramm TNT-Sprengstoff sichergestellt. Schily sagte weiter, er könne nicht ausschließen, dass auch andere Spitzenpolitiker bei den geplanten Anschlägen getroffen werden sollten. Maget sagte, die Polizei habe ihn gewarnt, dass er gefährdet sei, aber: „Ich habe keine Angst. Ich fühle mich sicher.“ Nach Informationen des Tagesspiegels fand die Polizei bei Neonazis einen Schmierzettel mit Magets Name, Adresse und einigen Wahlkampfterminen. Magets Adresse steht allerdings auch im Münchener Telefonbuch, seine Wahlkampftermine sind im Internet abzurufen.

Auch die Skinheads, die am Wochenende in München einen dunkelhäutigen Amerikaner angegriffen haben, standen offenbar in Verbindung mit den rechtsextremistischen Drahtziehern der geplanten Attentate. Ein Polizeisprecher sagte, zwei der am Sonntag Festgenommenen seien dem Umfeld des Neonazis Martin Wiese zuzurechnen, dessen Gruppe „Kameradschaft Süd“ die Sprengstoffanschläge unter anderem auf die Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum in München geplant hatte. Zusammenhänge zwischen dem Überfall und den Attentaten seien derzeit aber nicht ersichtlich, sagte der Sprecher weiter. Bislang wurde gegen zehn Verdächtige Haftbefehl erlassen, gegen sieben vom Amtsgericht München und gegen drei vom Bundesgerichtshof. Zwei der Haftbefehle wurden aber außer Vollzug gesetzt, die davon Betroffenen sind nur der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verdächtig. Nach der Aufdeckung der Attentatspläne von München sieht Schily eine neue Qualität rechtsextremistischen Terrors in Deutschland. Er warnte aber davor, voreilig Begriffe zu verwenden, die einen Vergleich mit der terroristischen RAF andeuteten.

Jüdische Einrichtungen sind nicht erst seit der Vereitelung des Münchener Anschlags besonders bedroht. Die Gemeinden haben längst reagiert: Polizeibeamte mit Maschinenpistolen vor Hauseingängen. Türen, die vom Wachpersonal nur von innen geöffnet werden können. Überwachungskameras, Bewegungsmelder und Scanner zum Durchleuchten der Post. Wer eine jüdische Einrichtung schon einmal betreten hat, weiß, dass dort die höchste Sicherheitsstufe gilt. Tag für Tag. Der Schutz spielt eine herausragende Rolle. Denn fast täglich gibt es Drohungen gegen Menschen und Institutionen.

Die Sicherheit ist Aufgabe der staatlichen Behörden, zumeist der Landeskriminalämter, in manchen Fällen des Bundeskriminalamtes. Zu Recht, findet man beim Zentralrat. Wie jeder andere Bundesbürger müssten auch diejenigen mit jüdischem Glauben so weit es eben möglich ist geschützt werden, heißt es. An diesem Prinzip will man auch auf keinen Fall rütteln. Zwar wird der Zentralrat als Dachorganisation der 83 jüdischen Gemeinden in Deutschland künftig Seminare zum Thema Sicherheit anbieten. Doch will man diese Kurse allein als Ergänzung zu den staatlichen Maßnahmen verstanden wissen. Besonders bedroht sind die höchsten Repräsentanten der Gemeinden. Für Zentralratspräsident Paul Spiegel zum Beispiel gilt beim Personenschutz die höchste Stufe. Das heißt, gepanzerter Dienstwagen und mehrere Leibwächter rund um die Uhr. Kein Wunder, dass es einer von Spiegels größten Wünschen ist, einmal ohne Schutz, also allein, einfach nur Straßenbahn fahren zu können.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false